Der australische Rocky

Oberhausen · Als Wladimir Klitschko seinen Siegeszug begann, saß Alex Leapai im Gefängnis. Jesus habe ihm eine zweite Chance gegeben, sagt der gebürtige Samoaner vor dem WM-Kampf am Samstag in Oberhausen.

Als Wladimir Klitschko seinen Siegeszug begann, saß Alex Leapai im Hochsicherheitstrakt des Woodford Correctional Centre und starrte an die Wand seiner Einzelzelle. Eine Kneipenschlägerei hatte den gebürtigen Samoaner an diesen "schrecklichen Ort" im Norden von Brisbane gebracht. Leapai war am Tiefpunkt angelangt - hinter meterdicken Mauern schämte er sich beim Gedanken an seine schwangere Frau, seine Söhne und seine Eltern. "Diese Zeit verfolgt mich noch heute", sagt er acht Jahre später - vor dem Kampf seines Lebens.

Am Samstag (22.10 Uhr/RTL) boxt Leapai in Oberhausen gegen Wladimir Klitschko um den WM-Titel im Schwergewicht. Der 34-Jährige gilt gegen den Weltmeister als krasser Außenseiter. Zu groß erscheint sein technischer und taktischer Rückstand, zu gering seine Reichweite. 15 Zentimeter Körpergröße fehlen Leapai auf den Hünen Klitschko. Aber diesen Nachteil will er mit Leidenschaft und unbändigem Willen ausgleichen. "Ich bin hier, um Geschichte zu schreiben", sagt Leapai, der für Australien startet und die Schwergewichtskrone nach 106 Jahren zurück nach Down Under holen will.

Kaum ein Box-Experte glaubt allerdings ernsthaft an Leapais Chance gegen den seit zehn Jahren ungeschlagenen Klitschko. Nur seine Familie, die er nach Alkohol- und Drogen-Exzessen einst so schwer enttäuscht hat, steht hinter ihm. Mit Tränen in den Augen ließ er seine Ehefrau Theresa und seine sechs Kinder in der Heimat zurück. Nach Oberhausen begleiteten ihn Vater Elisaia, Mutter Leitu, vier Brüder sowie zahlreiche Onkel und Tanten. "Ich habe eine Menge schlimmer Dinge getan. Jetzt ist es an der Zeit, das Vertrauen meiner Familie zurückzuzahlen", sagt Leapai, dessen Geschichte auch Gegner Klitschko beeindruckt hat.

"Alex ist wie der australische Rocky Balboa", sagt Klitschko. Wie der Filmheld habe sich Leapai hochgearbeitet, nun bekommt er gegen den amtierenden Champion die Chance seines Lebens - inklusive einer Million Euro Gage. "Ich will zeigen, dass ich ein besserer Mensch geworden bin", sagt Leapai: "Ich habe von dieser Chance jahrelang geträumt und danke Jesus dafür, dass es mir möglich ist, hier zu sein." Im Gefängnis habe er zu Gott gefunden: "Ich konnte dort niemandem trauen. Der einzige Freund, den ich hatte, war der Herr. Darum habe ich ständig zu ihm gesprochen und für eine neue Chance gebetet."

Die hat er sich im Ausscheidungskampf gegen den favorisierten Russen Denis Boizow allerdings höchstselbst erarbeitet. Der schlagstarke Leapai, der den Kampfnamen Löwenherz trägt, dominierte die Auseinandersetzung mit der bis dahin ungeschlagenen Nummer eins der WBO-Weltrangliste und gewann einstimmig nach Punkten. "Ich habe bewiesen, dass er nur ein Mensch wie jeder andere ist - mit zwei Beinen und einem Herzschlag", sagt Leapai. Auch Klitschko habe seine Schwächen: "Es ist Zeit für einen Thronwechsel. Und ich bin der Typ, auf den jeder gewartet hat."

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