Der alte Mann hat noch nicht genug

Istanbul/Köllerbach. "Was für eine Verletzung?", fragt Konstantin Schneider und lacht. Der Ringer des KSV Köllerbach lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er den 18. Dezember 2010 schon längst aus seinem Gedächtnis gestrichen hat. Wir erinnern uns: Beim Viertelfinal-Rückkampf um die deutsche Mannschafts-Meisterschaft beim 1

Istanbul/Köllerbach. "Was für eine Verletzung?", fragt Konstantin Schneider und lacht. Der Ringer des KSV Köllerbach lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er den 18. Dezember 2010 schon längst aus seinem Gedächtnis gestrichen hat. Wir erinnern uns: Beim Viertelfinal-Rückkampf um die deutsche Mannschafts-Meisterschaft beim 1. Luckenwalder SC riss dem Griechisch-Römisch-Spezialisten im Kampf gegen Tamas Löreincz der Brustmuskel ab. Seine wohl "schwerste Verletzung", wie er sagt, machte eine Operation und eine anschließende, umfangreiche Rehabilitation unumgänglich.Während der ein oder andere den Kapitän des KSV sportlich angesichts seines fortgeschrittenen Ringer-Alters von 36 Jahren schon abschrieb, dachte "Kosta" gar nicht daran, aufzuhören. Behutsam tastete er sich wieder an Bewegung und Belastung heran, bis er schließlich wieder auf die Matte konnte. Zwar kam die Europameisterschaft Anfang April in Dortmund noch zu früh für den Croupier der Saarland Spielbanken. Aber nach einigen Lehrgängen mit der deutschen Nationalmannschaft, unter anderem in den USA und in der Ukraine, hat Schneider mittlerweile der Wettkampf wieder. Ein Turnier in Polen verlief mit einer frühen Niederlage zwar nicht nach Wunsch, aber vor mehr als einer Woche beim Bundesliga-Kampf in Musberg zeigte er beim Sieg gegen Stefan Stäbler eine ordentliche Vorstellung.

Eine nur ordentliche Vorstellung wird heute, wenn Schneider bei der Weltmeisterschaft im türkischen Istanbul in der Gewichtsklasse bis 74 Kilogramm ein Wörtchen um die vorderen Plätze mitsprechen will, nicht reichen. Das weiß der zweifache WM-Bronzemedaillen-Gewinner selbst am besten. "Ohne Praxis wirst du kein Weltmeister", sagt Schneider, "und mir fehlen ein paar Kämpfe". Trotzdem sieht er sich nicht chancenlos - vor allem, was die begehrten Olympia-Tickets angeht, von denen in Istanbul sechs pro Klasse verteilt werden. "Ich kann jeden besiegen - jeden", sagt der Routinier selbstbewusst: "Je länger ich im Turnier bin und je mehr Kämpfe ich habe, umso besser ist es für mich."

40 Konkurrenten werden in seiner Gewichtsklasse an den Start gehen. Bis zu einem möglichen Halbfinale, was gleichbedeutend mit der Olympia-Qualifikation wäre, warten vier oder fünf Kämpfe. Schneider scheut die Duelle mit den meist Jüngeren nicht. "Manche geben gegen mich direkt Vollgas, weil sie denken: ,Das ist ein alter Mann'. Andere wiederum sind sehr vorsichtig." Beides kein Problem für Schneider: "Ich habe genug Erfahrung, ich kann mich darauf einstellen."

Das dürfte auch der Grund sein, warum Schneider in seiner Gewichtsklasse in Deutschland unangefochten ist und Bundestrainer Maik Bullmann auf ihn setzt. "Der Bundestrainer vertraut mir und weiß, dass er von mir Leistung erwarten kann", erklärt Schneider. Und mit der Art, wie er das so sagt, lässt er sein Gegenüber spüren: Die Gedanken an seine schwere Verletzung spuken schon lange nicht mehr im Kopf des Konstantin Schneider herum. "Ohne Praxis wirst du kein Weltmeister, und mir fehlen ein paar Kämpfe."

Konstantin Schneider

Auf einen Blick

Jan Fischer hat das Olympia-Ticket im griechisch-römischen Stil bis 84 Kilo verpasst. Nach einem knappen Kampf gegen den Italiener Andrea Minguzzi (1:0, 1:1, 0:1) ist der Ringer des KSV Köllerbach nach technischen Punkten (1:3) in der ersten Runde der WM ausgeschieden. Er hätte nur bei einem Finaleinzug Minguzzis Chancen auf die Hoffnungsrunde gehabt. Der Olympiasieger von 2008 verlor aber im Viertelfinale gegen den Finnen Rami Hietaniemi mit 0:1, 0:2, 0:0.

Ein Debütant hat dem Deutschen Ringer-Bund dagegen ein kaum für möglich gehaltenes Olympia-Ticket beschert. Frank Stäbler wurde am späten Montagabend Fünfter in der Klasse bis 66 Kilo im griechisch-römischen Stil. dpa/red

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