Der Absturz der Traditions-Clubs

Mannheim. Einst trat Waldhof Mannheim in der Fußball-Bundesliga gegen Bayern München an, inzwischen geht es in der Oberliga gegen einen Spitzenreiter namens FC Nöttingen. "Es geht Monat für Monat ums Überleben", sagt Vorstand Rainer Spagerer über die Finanzprobleme des Clubs

 Leeres Stadion: Lokomotive Leipzig, Nachfolger des ersten deutschen Meisters, dümpelt in der Oberliga vor sich hin. Foto: dpa

Leeres Stadion: Lokomotive Leipzig, Nachfolger des ersten deutschen Meisters, dümpelt in der Oberliga vor sich hin. Foto: dpa

Mannheim. Einst trat Waldhof Mannheim in der Fußball-Bundesliga gegen Bayern München an, inzwischen geht es in der Oberliga gegen einen Spitzenreiter namens FC Nöttingen. "Es geht Monat für Monat ums Überleben", sagt Vorstand Rainer Spagerer über die Finanzprobleme des Clubs. Eine Spirale aus teuren Fehleinkäufen und überhöhten Erwartungen führte zum Absturz bis in die fünfte Liga.

Damit steht der Traditions-Club nicht allein da. Auch Vereine wie KFC Uerdingen, RW Essen, Lokomotive Leipzig oder SSV Ulm dümpeln in Amateur-Niederungen herum. Fans üben sich in Nostalgie. Wenn Spagerer von seinem SV Waldhof spricht, geht's viel um die Vergangenheit. "Früher haben wir die Vorstopper der Nation gestellt", sagt er mit Blick auf Jürgen Kohler, Christian Wörns und Karlheinz Förster. Früher, das waren die 80er Jahre, als der SV zum Inventar der Bundesliga gehörte.

Als Spagerer von den "goldenen Zeiten" erzählt, sitzt er beim Spiel Stuttgarter Kickers II gegen Mannheim in einem fast leeren Stadion. Er sieht ein Fehlpass-Festival. Das Spiel endet 0:0. Nach dem Bundesliga-Abstieg 1990 sei jahrelang kopflos eingekauft worden, sagt er. Zwischen 1997 und 2002 standen mehr als 100 Spieler im Kader. "Da waren einige teure Transfer-Flops dabei." Es folgten der Abstieg in die Amateurklasse, wuchernde Schulden, zu teure Mannschaften, unzufriedene Fans.

"Wenn du einmal von der zweiten in die dritte Liga abgestiegen bist, wird es schwer", meint Spagerer. Oder es kommt noch schlimmer. Essen musste nach einem Insolvenzantrag 2010 von der vierten in die fünfte Liga. Mit Ulm versucht ein anderer finanziell angeschlagener Ex-Bundesligist, das zu verhindern.

Uerdingen ist noch tiefer gefallen - in die Sechstklassigkeit. Anfang 2010 sorgte der DFB-Pokalsieger von 1985 mit der Verpflichtung von Ailton für Aufsehen. Die Wirkung des Transfers verpuffte, der Aufstieg wurde verpasst. Dennoch setzt Präsident Agissilaos Kourkoudialos auf Ex-Profis. Seiner Meinung nach lassen sich nur so Träume vom schnellen Aufstieg und Ansprüche der Fans erfüllen: "Sie erwarten, dass wir den Gegner in jedem Spiel wegputzen." Der Präsident von Leipzig, Steffen Kubald, denkt anders: "Abgehalfterte Spieler, die nur abkassieren wollen, hatten wir in der Vergangenheit genug." Sein Club setzt auf junge Kicker aus der Region. "Aber mit den jungen Wilden gewinnst du nicht jedes Spiel, das verstehen viele Fans leider nicht", sagt er. Der Nachfolger des ersten deutschen Meisters von 1903 ist in der Oberliga nur 15., nach seiner Neugründung 2003 aber schuldenfrei.

Ein Beispiel, wie man aus dem Fußball-Nirgendwo herauskommt, ist der 1. FC Saarbrücken. Bis in die fünfte Liga abgestürzt, machte er aus der Not eine Tugend und stieg auch dank eigener Talente zwei Mal auf. Spagerer sieht darin den Schlüssel zum Erfolg: Eigene junge Spieler sollen Waldhof wieder Auftrieb geben.

Eine der letzten Trumpfkarten gestürzter Clubs ist die Treue ihrer Fans. Zu Waldhof kommen 2000 pro Spiel. Doch es rücken kaum mehr junge Fans nach, sagt Spagerer. Aber warum sollten junge Fans bei Oberliga-Spielen gegen ASV Durlach ihr Herz für Waldhof entdecken, wenn nebenan Hoffenheim auf der Bundesliga-Bühne glänzt? dpa

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