Der (ab-)fliegende Finne Seriensieger Sebastien Loeb ist auch dieses Mal der ganz große Favorit

Trier. Nein, viel verändert hat sich Kimi Räikkönen nicht. Er ist immer noch so wortkarg wie früher - und auch immer noch schnell. Was anders ist: Die Haare sind etwas länger geworden - und am Streckenrand stehen Bäume statt Kiesbetten. Seitdem Ferrari den Finnen in die Formel-1-Frührente geschickt hat, vertreibt sich Räikkönen die Zeit mit Rallye-Fahren

 Auf zum Höhenflug oder zum Abflug? Kimi Räikkönen ist der erste Formel-1-Weltmeister, der in der Rallye-WM Fuß fassen möchte. Noch tut sich der "fliegende Finne" aber schwer. Foto: dpa

Auf zum Höhenflug oder zum Abflug? Kimi Räikkönen ist der erste Formel-1-Weltmeister, der in der Rallye-WM Fuß fassen möchte. Noch tut sich der "fliegende Finne" aber schwer. Foto: dpa

Trier. Nein, viel verändert hat sich Kimi Räikkönen nicht. Er ist immer noch so wortkarg wie früher - und auch immer noch schnell. Was anders ist: Die Haare sind etwas länger geworden - und am Streckenrand stehen Bäume statt Kiesbetten. Seitdem Ferrari den Finnen in die Formel-1-Frührente geschickt hat, vertreibt sich Räikkönen die Zeit mit Rallye-Fahren. Bezahlt wird er von Red Bull - und von seinem Ex-Arbeitgeber Ferrari. Einen zweistelligen Millionen-Betrag lassen es sich die Roten kosten, dass der ungeliebte Räikkönen nicht mehr in ihr Auto steigt. Dass jemand dafür bezahlt wird, dass er nichts macht, ist neu in der Formel 1.Die Weinreben zittern schonJetzt fährt Räikkönen also Rallye - und die Weinreben an der Mosel zittern bereits. Denn ab heute gibt der Finne bei der Deutschland-Rallye Gas. Und dann heißt es für die Botanik neben der Piste: volle Deckung. Denn der Mann, der in der Formel 1 18 Siege feierte und zum "fliegenden Finnen" wurde, ist in der Rallye vor allem ein "abfliegender Finne". In acht WM-Läufen sah der Quereinsteiger nur drei Mal das Ziel, seine beste Platzierung war Rang fünf. Ansonsten produzierte der 30-Jährige, der wie Weltmeister Sebastien Loeb einen Citroen C4 fährt, vor allem eines: Schrott. Schon beim ersten Ausflug mit seinem 320 PS starken Dienstwagen war er schnell - draußen. Bei der Arctic-Rallye setzte der Finne seinen Boliden auf der zweiten Prüfung gegen einen Baum. Ergebnis: Baum gefällt, Auto k.o., Fahrer o.k. Es war nicht der erste heftige Unfall. Auch bei seinem ersten WM-Start 2009 in Finnland, damals noch in einem Fiat, überschlug sich Räikkönen. Kimi entstieg dem Auto ohne große Eile, mit einem Grinsen im Gesicht. "Das hat Spaß gemacht", sagte er. Die Leute klopften ihm auf die Schulter. In Finnland ist Rallye Nationalsport, tollkühne Fahrer sind Helden. "Immerhin: Er hat den notwendigen Speed", sagte Beifahrer Kaj Lindström, früher Co-Pilot des vierfachen Weltmeisters Tommi Mäkinen. Das war der Adelsschlag für Kimi. Doch es läuft noch nicht richtig rund in dieser WM-Saison. In Schweden versenkte der Iceman sein Auto in einem Schneewall, in Mexiko beendete er die Rallye mit einem siebenfachen Überschlag. Auch in Bulgarien und zuletzt in Finnland endeten die Läufe im Unterholz statt auf der Zielrampe. ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk nimmt Räikkönen dennoch in Schutz: "Das erste Jahr ist immer ein Lehrjahr. Räikkönens Problem ist, dass da jeder genau hinsieht, weil er prominent ist und alles auf der WM-Bühne passiert." Tomczyk weiß: Für die Rallye ist Räikkönen eine Art Heilsbringer. Die WM kämpft nach dem Rückzug vieler Hersteller ums Überleben. Da kommt eine schillernde Figur wie Räikkönen gerade recht. Er sorgt für Aufmerksamkeit. Ob er der WM auch erhalten bleibt? Über die Formel 1 spricht Räikkönen jedenfalls wenig. "Michael Schumacher? Der interessiert mich im Moment nicht", sagt er. Und: "Die Beziehungen hier zwischen den Fahrern und den Teams sind viel angenehmer als in der Formel 1." Eine Rückkehr in die Königsklasse ist also ausgeschlossen? Offenbar doch nicht. Angeblich hat Renault die Fühler ausgestreckt. Räikkönen lässt sich eine Hintertür offen. "So wie es jetzt aussieht, kriege ich jederzeit wieder ein F1-Cockpit. Aber will ich das?" Derzeit will er nur eines: Spaß haben. Räikkönen, der "volle Pulle" auch abseits der Piste gern ausgiebig genießt, sagt: "Die Rallye ist ganz sicher die größte Herausforderung in meinem Leben als Sportler. Es ist viel schwerer als mein Einstieg in die Formel 1. Denn da hatte ich Rundstrecken-Erfahrung. Hier beginne ich bei Null." Bei der Deutschland-Rallye trauen ihm Beobachter trotzdem ein gutes Ergebnis zu - die Rallye findet auf Asphalt statt. Ein Untergrund, den Räikkönen von der Rundstrecke kennt. Doch Räikkönen stapelt tief: "Der Asphalt auf Rennstrecken ist nicht zu vergleichen mit dem von Rallyes." Und der Grat zwischen Höhen- und Abflug ist schmal. Gerade deshalb zittern die Weinstöcke jetzt schon.Trier. Man muss kein Tintenfisch-Orakel sein, um den Sieger der Deutschland-Rallye vorher zu sagen. Sieben Mal gastierte der WM-Zirkus bislang rund um Trier. Sieben Mal hieß der Sieger Sebastien Loeb (Foto: dpa) - von 2002 bis 2008. Der Grund, warum Loeb nicht auch 2009 gewonnen hat: Es gab damals keine Rallye. Der Weltverband wollte neue WM-Läufe in den Kalender aufnehmen - und verordnete für Deutschland eine Zwangspause.Geändert hat sich seitdem aber nicht viel: Loeb dominiert, ist 2010 unterwegs zu seinem siebten Titel in Folge. Der Franzose führt die Gesamtwertung mit 166 Punkten vor seinem Citroen-Kollegen Sebastien Ogier (118) an. Der gilt auch als sein gefährlichster Rivale für die Deutschland-Rallye.2009 war noch Ford-Pilot Mikko Hirvonen Loebs härtester WM-Gegner. Am Saison-Ende musste er sich nur um einen Punkt geschlagen geben. Doch 2010 läuft es für ihn nicht - trotz eines Sieges in Schweden liegt er nur auf Platz fünf (86 Punkte). Auch der zweite Ford-Pilot Jari-Matti Latvala, der vor 14 Tagen in Finnland seinen zweiten Saisonsieg feierte, fühlt sich eher auf Schotter wohl als auf Asphalt. Daher hat Ford fürs Wochenende extra noch einen Asphalt-Spezialisten ins Team geholt: den Belgier Francois Duval. Der war 2004, 2005 und 2007 für Citroen in Deutschland jeweils Zweiter, 2008 holte er für Ford Rang drei. wip "So wie es aussieht, kriege ich jederzeit wieder ein F1-Cockpit."Rallyefahrer Kimi Räikkönen

Auf einen BlickDer Zeitplan der Deutschland-Rallye: Freitag:Wertungsprüfung (WP) 1: Ruwertal/ Fell 1 9.43 Uhr; WP 2: Grafschaft Veldenz 1 10.46 Uhr; WP 3: Moselland 1 11.34 Uhr; WP 4: Ruwertal/ Fell 2 14.32 Uhr; WP 5: Grafschaft Veldenz 2 15.35 Uhr; WP 6: Moselland 2 16.23 Uhr. Samstag:WP 7: Hermeskeil /Gusenburg 1 7.48 Uhr; WP 8: St. Wendeler Land 1 8.31 Uhr; WP 9: Freisen/Westrich 1 9.04; WP 10: Panzerplatte 1 10.30 Uhr; WP 11: Hermeskeil/Gusenburg 2 14.43 Uhr; WP 12: St. Wendeler Land 2 15.26 Uhr; WP 13: Freisen/Westrich 2 15.59; WP 14: Panzerplatte 2 17.25 Uhr. Sonntag: WP 15: Dhronthal 1 7.28 Uhr; WP 16: Moselwein 1 8.03; WP 17: Dhrontal 2 10.36 Uhr; WP 18: Moselwein 2 11.11 Uhr; WP 19: Circus Maximus Trier 13.03 Uhr. wip

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