Den starken Worten folgen keine Taten

London. Fechterin Imke Duplitzer atmete tief durch und seufzte: "Ach ja, das Leben." Es bietet manchmal überraschende Wendungen. Zum Beispiel die, dass Michael Vesper gestern bei den Kämpfen der Chefkritikerin auf der Tribüne saß und bei jedem ihrer Treffer Beifall klatschte

London. Fechterin Imke Duplitzer atmete tief durch und seufzte: "Ach ja, das Leben." Es bietet manchmal überraschende Wendungen. Zum Beispiel die, dass Michael Vesper gestern bei den Kämpfen der Chefkritikerin auf der Tribüne saß und bei jedem ihrer Treffer Beifall klatschte. Genau jener Chef de Mission der deutschen Olympia-Mannschaft, den Duplitzer vor den Spielen wie DOSB-Präsident Thomas Bach öffentlichkeitswirksam mit den Worten "die raffen es nicht mehr" abgewatscht hatte.Starke Worte, denen im Excel-Center von London allerdings nicht die großen Taten folgten. "Ich hoffe, dass sie nicht nur mit Worten ficht, sondern auch erfolgreich mit dem Degen", hatte Vesper gesagt. Bereits in Runde zwei bekam Duplitzer von der top-gesetzten Weltranglisten-Ersten Yuyie Sun aus China beim 10:15 den K.o. versetzt. Gegen so eine Gegnerin kann man verlieren, aber die 37 Jahre alte Duplitzer räumte selbstkritisch ein, dass sie der Gegnerin noch beim Turnier in Leipzig "ziemlich den Frack vollgehauen" hatte.

Hatte also der Wirbel um ihre Generalabrechnung mit dem deutschen Sportsystem doch geschadet? "Nö. Der Wirbel war nicht das Problem, nur die Gehirnblutung", sagte Duplitzer. Sie spielte auf einen Vorfall bei der WM 2011 in Catania an, als sie bei einem Sturz eine leichte Gehirnblutung erlitten hatte. Aber was wollte sie der Welt damit sagen? Dass ihre kritischen Aussagen nicht so richtig ernst zu nehmen sind? Das blieb ein Rätsel.

Fest steht, dass Imke Duplitzer die große Bühne der Öffentlichkeit bewusst sucht: Vor den Sommerspielen vor vier Jahren in Peking hatte sie aus Protest gegen die Menschenrechts-Politik Chinas medienwirksam auf die Teilnahme an der Eröffnungsfeier verzichtet. Als Fünfte verpasste sie damals einen Podestplatz knapp, diesmal mit ihrem Aus in der Runde der letzten 32 sehr deutlich. Eine Enttäuschung, die sie gelassen nahm: "Soll ich mir jetzt die Augen aus dem Kopf heulen, weil ich gegen die Weltranglisten-Erste verloren habe?"

Vor ihrem ersten Olympia-Einsatz hatte Duplitzer noch mit Michael Vesper geplaudert, zum Beispiel über das Olympische Dorf. Dass der Mann, der nach ihrer Meinung nicht mehr so viel rafft, dann ausgerechnet bei ihr zuschaute, hatte sie angeblich gar nicht wahrgenommen: "Ich schaue doch nicht auf die Tribüne. Da sitzen so viele Menschen, die klatschen." Duplitzer hofft nun auf die nächste Wendung im Leben. Am Samstag steht der Mannschaftswettbewerb an. Vielleicht kann sie dann mit Michael Vesper jubeln. . . dapd

Auf einen Blick

Peter Joppich will heute in London seine Olympia-Flaute beenden. Vier Mal war der Koblenzer schon Weltmeister mit dem Florett, was ihm die Bezeichnung "Jahrhundert-Fechter" einbrachte - bei Olympia ging er bis dato immer leer aus. "Es geht nur darum, irgendwie eine Medaille zu gewinnen", lautete Joppichs klare Ansage. Druck will er nicht aufbauen: "Ich versuche, Spaß zu haben. Ich will frei im Kopf sein und so in den Wettkampf gehen." Mannschaftskollege Benjamin Kleibrink kann es lockerer sehen - er hat schon Gold: "Es ist innerlich eine komfortable Situation, dass ich in Peking gewonnen habe." Darüber nachzudenken, welche Konsequenzen es haben könnte, sollte er abermals Olympiasieger werden - das verbietet sich Kleibrink. dpa

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