Den Gürtel vor AugenNieroda muss schon beim Wiegen alles geben

St. Ingbert. Zwölf Wochen Vorbereitung liegen hinter ihm. Drei Monate Training, Training, Training. Ein viertel Jahr nur diesen einen Tag im Kopf. An diesem Samstag schlägt seine große Stunde. Boxer Jürgen Doberstein kämpft gegen den Polen Michal Nieroda um den IBF-Weltmeisterschaftsgürtel im Supermittelgewicht der Junioren. In der St

 Einer von beiden wird neuer Weltmeister: Der Pole Michal Nieroda, links - oder der Friedrichsthaler Jürgen Doberstein. Foto: wieck

Einer von beiden wird neuer Weltmeister: Der Pole Michal Nieroda, links - oder der Friedrichsthaler Jürgen Doberstein. Foto: wieck

St. Ingbert. Zwölf Wochen Vorbereitung liegen hinter ihm. Drei Monate Training, Training, Training. Ein viertel Jahr nur diesen einen Tag im Kopf. An diesem Samstag schlägt seine große Stunde. Boxer Jürgen Doberstein kämpft gegen den Polen Michal Nieroda um den IBF-Weltmeisterschaftsgürtel im Supermittelgewicht der Junioren. In der St. Ingberter Industriekathedrale will er sich seinen Traum erfüllen und den vakanten WM-Titel ins Saarland holen. "Dafür werde ich alles tun", macht der Friedrichsthaler unmissverständlich klar.In den vergangenen Tagen stand für Doberstein in erster Linie Erholung an. Die Ruhe vor dem Sturm. "Ich habe jeden Tag 30 bis 40 Minuten trainiert. Ein bisschen Pratzenarbeit, Schattenboxen, Krafttraining - kurz und intensiv, aber nicht zu vergleichen mit den Wochen zuvor", erklärt der 23-Jährige, der zwölf Siege, ein Unentschieden und eine Niederlage in seiner Profi-Vita stehen hat. Die restliche Zeit des Tages suchte er vor allem eines: Ablenkung. "Ich wollte nicht an den Kampf denken, aber das kommt automatisch. Dann hab ich mich mit Freunden getroffen, war spazieren oder habe einen Film geschaut. Das hilft", verrät der "Dobermann" seine Taktik, um sich auf andere Gedanken zu bringen. Mit dem Oscar-prämierten Monumentarfilm "Gladiator" hat er sich unter der Woche allerdings genau den richtigen Streifen rausgesucht, um sein persönliches Adrenalinfass an den Rand des Überlaufens zu bringen.

Überschwappen wird sein Hormonspiegel endgültig beim Einlaufen am Samstag. 1650 Fans finden in der Industriekathedrale einen Platz - und alle werden den Lokalmatadoren frenetisch anfeuern. Das war bereits beim Sieg der deutschen Meisterschaft im Betzentalstadion in St. Ingbert gegen Christian Pawlak im Mai der Fall. "Es ist schon etwas Besonderes, wenn einem alle zujubeln. Als ich damals zum Ring gegangen bin, hatte ich richtig Gänsehaut", erinnert sich der Linksausleger an die prickelnde Atmosphäre. Auch jetzt wird er bei seinem Heimspiel auf lautstarke Unterstützung des Publikums zählen können.

Die wird auch nötig sein, denn mit Michal Nieroda hat er einen gefährlichen Gegner vor den Fäusten. Der 21-jährige Pole hat neun seiner Profikämpfe gewonnen und erst eine Niederlage einstecken müssen. "Wir haben einige Kämpfe von Nieroda auf Video gesehen. Er ist einer, der nach vorne geht. Das kommt Jürgen als Konterboxer entgegen", glaubt Dobersteins Manager Oliver Heib von der Dog Event & Boxing Company, die den Kampfabend in St. Ingbert veranstaltet.

Beim offiziellen Wiegen gestern Abend standen sich die beiden Kontrahenten zum ersten Mal gegenüber. 76,2 Kilogramm durfte die Waage anzeigen. Der 1,91 Meter große Nieroda brachte es auf exakt 76,2 Kilo und hatte damit 400 Gramm mehr auf den durchtrainierten Rippen als der fünf Zentimeter kleinere Saarländer. Doch das ist noch lange kein Indiz, wer am Samstagabend der Größere sein und sich den WM-Gürtel um die Hüfte schnallen wird. St. Ingbert. Etwas schludrig kam er schon daher, dieser Michal Nieroda. Mit Rocker-T-Shirt und Schlabber-Hose zeigte sich der polnische Box-Profi, der erst am Freitag ins Saarland angereist war, dem interessierten Publikum beim offiziellen Wiegen vor dem WM-Kampf gegen Jürgen Doberstein an diesem Samstag. In seinem Blick lag eine Mischung aus Schüchternheit und Langeweile. Diese legte er aber schnell ab, denn die Waage zeigte noch ein paar Gramm zu viel, sodass der Pole die Hüllen komplett fallen lassen musste. Mit einem Sichtschutz stellte er sich schließlich auf das Messgerät und kam genau auf die geforderten 76,2 Kilogramm - durchatmen.

Dass Nieroda alles andere als zurückhaltend ist, wurde gleich im Anschluss deutlich. Als er und Doberstein sich beim obligatorischen "stare-down" tief in die Augen sah, änderte sich der schüchterne Blick schlagartig. Aggression und Kampfeslust war zu sehen. "Ich bin überzeugt davon, Jürgen schlagen zu können und als neuer Junioren-Weltmeister zurückzufahren", sagte Nieroda.

Es wird sein elftes Duell im Profi-Lager werden. Neun Siege stehen einer Niederlage entgegen. Vier Erfolge konnte Nieroda dabei vorzeitig verbuchen. Eine beachtliche Bilanz, vor allem, wenn man bedenkt, dass der 1,91 Meter große Nieroda erst im März 2011 seinen ersten Profi-Kampf absolviert hat. "Meine Amateurkarriere war recht kurz, weil ich immer so geboxt habe, als wenn ich für das Profiboxen gemacht worden wäre. Darum bin ich dann ja auch mit nur 20 Jahren sofort Profi geworden", erklärt der 21-Jährige. Er feilt an seiner Karriere - und der WM-Titel der Junioren wäre der nächste Baustein. hej

Auf einen Blick

Der Ablaufplan für den Boxabend in der Industriekathedrale "Alte Schmelz" in St. Ingbert:

18 Uhr: Einlass; 19.10 Uhr: K1 Vorkampf: Duncan Keri gegen Ivan Freidenberg; 19.30 Uhr: K1 EM-Kampf: Ibo Topyürek gegen Sven Amend; 20.15 Uhr: Boxen Vorkämpfe: Szymon Boniecki gegen Moritz Stahl, Enes Zecirevic gegen Alexander Schmidt, Damen WBF-Intercontinentalmeisterschaft: Raja Amasheh gegen Fleis Djendji, Tommy Altmann gegen Sebastian Skrzypczynski, Balazs Kelemen gegen Rabi Ben Lakhbhar Inoubli, Ata Dogan gegen Bartlomiej Grafka, Felix Lamm gegen Bibi Ondoua

23.30 Uhr: IBF-Weltmeisterschaft der Junioren: Jürgen Doberstein gegen Michal Nieroda. hej

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