Dem Sport droht das nächste Doping-Beben

Lausanne · Richard McLaren hat sich Zeit genommen. Nicht weniger als die Glaubwürdigkeit des Weltsports steht auf dem Spiel, wenn er morgen die Endfassung des McLaren-Reports in London vorstellen wird. Der dürfte nicht nur Russland unter Druck setzen.

Die Sportwelt schaut gebannt nach London. Gibt es im russischen Dopingskandal eine Steigerung von ungeheuerlich? Diese Frage wird morgen im St. Pancras Renaissance Hotel beantwortet. Richard McLaren , der Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, legt dann den zweiten Teil seines Untersuchungsberichts über betrügerische Machenschaften im russischen Sport vor. Sollten sich die Vorwürfe von Staatsdoping erhärten, stehen das Internationale Olympische Komitee (IOC) und Präsident Thomas Bach erneut vor der weitreichenden Entscheidung: Dürfen russische Sportler überhaupt noch international antreten?

Ski-Weltverbands-Präsident und IOC-Exekutivmitglied Gian Franco Kasper rechnet fest mit brisanten Neuigkeiten. "Angeblich sollen am Freitag auch Namen genannt werden", sagte Kasper. "Und man hat ja im ersten Teil des Berichts gesehen, wohin die Reise geht. Ich erhoffe mir neue Details, ob bei den Winterspielen in Sotschi die Dopingproben tatsächlich durch ein Loch in der Wand in ein Hinterzimmer weitergereicht und dort manipuliert wurden." Kasper schließt auch drastische Strafen nicht aus. Sollte ein gesamter Verband in die Doping-Praxis verstrickt gewesen sein, müsse man umfassende Sanktionen ins Auge fassen. "Dann stellt sich die Frage nach einer Kollektivstrafe. Doch dafür müssen klare Beweise vorliegen", sagte der Funktionär.

Auch die Wada als Initiator des Reports fordert "klare Kante", zumal Russland nicht einsichtig sei, wie Wada-Gründungspräsident Dick Pound feststellt: "Es ist, als würde man mit einem Alkoholiker umgehen: Man kann ihn nicht heilen, solange bei ihm kein Bewusstsein für das Problem besteht." Bei der Präsentation des ersten Teils des Reports im Sommer hatte McLaren Russland in der Zeit von 2011 bis 2015 ein von höchsten staatlichen Stellen gelenktes und weit verbreitetes Doping-System bescheinigt.

In Lausanne , wo gerade die IOC-Führung tagt, hält man sich vor der Präsentation des zweiten Teils bedeckt. Einzelheiten seien nicht bekannt, folglich sei dazu nichts zu sagen, hieß es. Auch Präsident Bach sei gespannt, was McLaren an Neuem zusammengetragen habe.

Nach dem ersten Report waren IOC und Wada heftig aneinander geraten. Die Wada empfahl dem IOC aufgrund der Schwere des Vergehens, Russland von den Sommerspielen komplett auszuschließen. Doch das IOC setzte auf Einzelfallprüfungen, die von den Verbänden nur halbherzig durchgeführt wurden. Alfons Hörmann, den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, treibt das noch immer auf die Palme: "Was rund ums Staatsdoping in Russland passiert ist, ist inakzeptabel. Inakzeptabel war auch, dass viel zu viele russische Athleten in Rio am Start waren. Das war ein schwer verdauliches Szenario und darf sich nicht wiederholen."

Zum Thema:

Hintergrund Richard McLaren ist der Mann, der viel Licht in die düstere Doping-Welt gebracht hat. Morgen wird der 71-Jährige in London selbst im Scheinwerferlicht stehen, um seinen zweiten Report vorzustellen. Im ersten, am 18. Juli veröffentlichen Bericht hatte der Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur belegt, dass es eine Verwicklung des russischen Geheimdienstes bei der Vertuschung von Doping-Fällen bei Winterspielen 2014 in Sotschi gab. Schon 2007 hatte McLaren am Mitchell-Report mitgewirkt, der flächendeckendes Doping im US-Profi-Baseball aufdeckte. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort