Davis Cup wird zur Wahl der Qual

New York. Als Philipp Kohlschreiber mit hängenden Schultern herübermarschierte von Platz 13 zum Spielerzentrum der US Open, sah er auf der riesigen Leinwand vor dem Arthur-Ashe-Stadion den spanischen Matador Rafael Nadal herumwirbeln

 Philipp Kohlschreiber ist als letzter deutscher Tennisprofi - bereits in der zweiten Runde - bei den US Open ausgeschieden. Foto: dpa

Philipp Kohlschreiber ist als letzter deutscher Tennisprofi - bereits in der zweiten Runde - bei den US Open ausgeschieden. Foto: dpa

New York. Als Philipp Kohlschreiber mit hängenden Schultern herübermarschierte von Platz 13 zum Spielerzentrum der US Open, sah er auf der riesigen Leinwand vor dem Arthur-Ashe-Stadion den spanischen Matador Rafael Nadal herumwirbeln. Wehmütig blickte der Bayer auf die Bilder vom Centre Court, auf die Szenerie im größten Tennisstadion der Welt - dort, wo er am Sonntag selbst noch einmal aufspielen wollte gegen den Branchenführer aus Spanien. Aber mit Kohlschreibers fataler Fünf-Satz-Niederlage gegen den Franzosen Gilles Simon (6:4, 3:6, 6:1, 1:6, 3:6) hatte sich das Thema erledigt. Nicht nur für den 26-jährigen Augsburger, sondern auch für alle anderen männlichen Profis des Deutschen Tennisbundes (DTB) waren die US Open geschlossen und Geschichte. Wenn das Spektakel in New York erst so richtig auf Temperatur kommt, in der prickelnden zweiten Turnierwoche, sind die zu Randfiguren geschrumpften Deutschen nur noch aufmerksame Zuschauer. Angst und bange kann einem nach dem müden, matten, glanzlosen Vortrag der deutschen Männer auch um die Davis-Cup-Zukunft werden. Zwei Wochen vor dem Relegationsspiel gegen Südafrika droht dem DTB-Team allen Ernstes und ohne jede Panikmache der Abstieg in die Zweitklassigkeit. Von leichtem Spiel, gar von Glückslos gegen das Team des Fußball-WM-Gastgeberlandes kann nun überhaupt keine Rede mehr sein, da die Deutschen ohne jeden US-Open-Rückenwind auf den ungeliebten Sand im Schwabenland zurückzukehren hatten. "Kein Weltuntergang" sei das Abschneiden der Deutschen gewesen, befand Kohlschreiber in der Nacht seines New Yorker Abgangs, trotzdem könne man "mit Mut und Entschlossenheit" an die wichtige Länderspiel-Aufgabe gehen. Fragt sich nur, woher die Zuversicht kommt. Kohlschreiber, die Nummer eins, ist psychisch angeschlagen. Er leidet auch noch ein wenig unter den Nachwirkungen einer Schulterverletzung, und da kommt eigentlich nichts weniger gelegen als die Ausdauerübungen im roten Sand, auf die sich die Deutschen selbst festgelegt haben. Hinter dem Frontmann hat Teamchef Patrik Kühnen eher eine Wahl der Qual als eine Qual der Wahl, zumal Philipp Petzschner nicht mit im Spiel ist: Der gebürtige Bayreuther heiratet am 18. September in Mallorca, aber wegen seiner verweigerten Unterschrift unter die Athletenerklärung der Antidoping-Agentur hätte er sowieso nicht aufgestellt werden können. Bedauerlich ist es allemal, immerhin zeigte der Wimbledon-Doppelsieger in New York als einziger aller Deutschen internationale Klasse bei seiner knappen Drei-Satz-Niederlage gegen den serbischen Spaßmacher Novak Djokovic. "Es gibt auch Wichtigeres als Tennis", sagte Petzschner vor dem Abflug zu den Vermählungs-Zeremonien in der deutschen Ferienkolonie. Statt Petzschner kommen Andreas Beck, Florian Mayer und Christopher Kas (Doppel) für die Nominierung in Betracht, aber dass einer von ihnen wie selbstverständlich Punkte holen könnte in Stuttgart, ist nicht in Sicht. Die Situation erinnert ein wenig an das deutsche Relegationsspiel 2003 gegen Weißrussland in Sundern, bei dem man auch auf Sand spielte, weil das angeblich der Schwachpunkt des Gegners sei - und dann 2:3 verlor. Die gegenwärtige Bedeutungslosigkeit des deutschen Herrentennis illustriert indes noch am ehesten die Grand-Slam-Bilanz - besonders in New York. Elf deutsche Herren waren zum Grand-Slam-Ausklang des Jahres 2010 angetreten, vier erreichten die zweite Runde, keiner die dritte Runde. Da für die Auftaktserie im National Tennis Center drei innerdeutsche Duelle ausgelost wurden, gab es letztlich nur einen mageren Erfolg gegen ausländische Konkurrenz zu notieren, den von Petzschner gegen den harmlosen tschechischen Qualifikanten Dusan Lojda.Im ganzen Grand-Slam-Jahr 2010 rückte nur ein Deutscher in ein Achtelfinale vor, Daniel Brands in Wimbledon. "Die Deutschen haben gute Spieler. Aber diese Spieler haben ein Konstanzproblem. Sie gehen nicht auf Tagesbasis mit dem nötigen Eifer ans Werk", sagt Nick Bollettieri, der erfolgreichste Trainer der Welt.

Auf einen BlickWährend sich Philipp Kohlschreiber und Benjamin Becker am Wochenende als letzte Herren von den US Open verabschiedeten, steht Andrea Petkovic aus Darmstadt nach der Verletzung ihrer chinesischen Gegnerin Shuai Peng kampflos im Achtelfinale - und heute vor dem wohl bislang größten Spiel ihrer Karriere. Die 22-Jährige trifft auf die Nummer sieben der Setzliste und Wimbledon-Finalistin Wera Swonarewa aus Russland. "Wera ist eine unglaubliche Spielerin, aber ich habe überhaupt keine Angst", betonte Petkovic. dpa

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