Datenschützer laufen Sturm

Bonn. Ein vertrauliches Dokument sorgt für massive Diskussionen. "Datenschutzrechtliche Bewertung des NADC, Nationaler Anti-Doping-Code, 2009" heißt das Papier, mit dem Datenschützer gegen das Dopingkontrollsystem Sturm laufen

Bonn. Ein vertrauliches Dokument sorgt für massive Diskussionen. "Datenschutzrechtliche Bewertung des NADC, Nationaler Anti-Doping-Code, 2009" heißt das Papier, mit dem Datenschützer gegen das Dopingkontrollsystem Sturm laufen. Die Landes-Datenschützer behaupten, dass die Dopingkontrollen von Spitzensportlern durch die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) "rechtswidrig" seien und "zu einer unerträglichen Verletzung ihrer Intim- und Privatsphäre" führten.

Die umfassende Meldepflicht der Athleten ("Whereabouts") gegenüber der Nada greife "in geradezu erschreckender Weise in die Persönlichkeitsrechte der Sportler ein". Dadurch erhalte die Nada "Einblicke in die Privatsphäre der Sportler, die selbst staatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht gestattet wären", heißt es in dem Gutachten.

Überrascht reagierte die Nada auf Inhalt und Form der Kritik. "Es ist doch klar, dass wir nur über einen Konsens mit den Datenschützern weiterkommen. Aber die Diskussion darüber läuft ja schon zwei Jahre", sagte Nada-Sprecher Berthold Mertes. Deshalb sei man von der Veröffentlichung "derart scharfer Kritik - und das aus einem internen Papier der Datenschützer - schon überrascht". Es gebe "keine Alternative" zu einem kompromisslosen Anti-Doping-Kampf.

Das sieht auch die Sportpolitik so. "Datenschutz und Dopingkontrollsystem sind vereinbar. Die Sportler unterwerfen sich diesem System ja freiwillig, damit sie ihren Sport unter fairen Bedingungen ausüben können", sagte Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Vesper sieht den Bericht "eher als eine Meinungsäußerung", für ihn sei "die Aufregung verfrüht, weil ich mir sicher bin, dass es da zu einer Vereinbarung kommt." Die juristische Expertise der Datenschützer sollte eigentlich auch nur als Grundlage für eine Beratung mit der Nada dienen.

Dass Athleten sich bei der Abgabe von Urinproben entkleiden müssen, sei "sittenwidrig", meinte Stefan Brink, Gruppenleiter "Datenschutz in der Privatwirtschaft" beim Landesbeauftragten Rheinland-Pfalz. "Athleten eine Rechtsverpflichtung aufzuerlegen, sich beim Urinieren beobachten lassen zu müssen, verletzt ihre Intimsphäre in empörender Weise", sagte Brink. Der Datenschützer schlägt deshalb die wesentlich teureren Blutproben vor.

In dem Dokument fordern die Datenschützer, dass die Vereine und Verbände auf Landesebene angewiesen werden, die Unterwerfung ihrer Athleten unter den Anti-Doping-Code "nicht mehr zu verlangen". Drohende Konsequenz im Klartext: Internationales Startverbot für deutsche Athleten in der Zukunft.

Ein Sturm im Wasserglas? Die Diskussion ist jedenfalls nicht neu, und das Prozedere gilt schon seit fast zwei Jahren. Bereits vom 1. Januar 2009 an gelten auch für die deutschen Athleten die schärferen Meldepflichten. Diese wurden von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vorgegeben; die Nada musste sie umsetzen. So muss jeder Spitzenathlet eine Stunde am Tag und den Ort angeben, wo er für die Dopingkontrolleure zu erreichen ist. dpa

"Datenschutz und Doping-

kontrollsystem sind vereinbar."

Michael Vesper, Generaldirektor

des Deutschen Olympischen Sportbundes

Auf einen Blick

Die Kritik von Datenschützern am Dopingkontrollsystem der Nada sorgt auch bei betroffenen Athleten für Diskussionen. Sollte das derzeitige System gekippt werden, "wäre das eine Katastrophe", sagt Weitsprung-Europameister Christian Reif aus Saarbrücken: "Wenn wir den Code der Nada nicht erfüllen würden, dann wären wir international nicht startberechtigt." Wie Reif zeigte sich auch Imke Duplitzer, Europameisterin im Degenfechten, verärgert über den Vorstoß der Datenschützer: "Das bedeutet, dass deutscher Leistungssport tot ist und dass die Leidtragenden wieder die Athleten sind, die sauber darauf hingearbeitet haben, an Wettkämpfen teilzunehmen."

Handball-Nationaltorwart Johannes Bitter unterstützte hingegen die Kritik am Meldesystem. Die Kontrollpraxis nähere sich "dem Verstoß gegen die Menschenwürde. Wir stehen für sauberen Sport, aber in der Vergangenheit wurden Grenzen überschritten, unsere privaten Freiräume eingeengt." dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort