Das Trauma des Unverwüstlichen

Salvador · 2010 erlebte Arjen Robben sein WM-Trauma. Jetzt ist der Bayern-Star in der Form seines Lebens – und bereit, um mit Südafrika abzuschließen. Passenderweise heißt der Auftaktgegner der Niederlande Spanien.

Diese eine verdammte Szene aus dem WM-Finale 2010, sagte Arjen Robben erst vor wenigen Tagen, "sie sucht mich noch immer heim". Die verpasste Chance in der 62. Minute des Endspiels gegen Spanien, als er alleine auf Torhüter Iker Casillas zu lief und scheiterte, "ist ein Film in meinem Kopf geworden. Einer, der sich immer und immer wieder abspielt", meinte der Starspieler des FC Bayern München.

Heute (21 Uhr/ZDF) bekommt Robben und mit ihm die niederländische Nationalmannschaft gleich zum Auftakt der Fußball-WM die Gelegenheit, diesen Film abzustellen. Dann trifft die Elftal in Salvador erneut auf Spanien, das damals den ersten WM-Triumph von Oranje verhinderte - auch, weil Robben den Ball in besagter Szene auf Casillas' rechte Fußspitze statt ins Tor schoss.

Dass sich das junge Team der Niederlande diesmal gegen die Fußball-Großmacht Spanien wieder etwas ausrechnen darf, liegt fast nur an Robben. Der 30-Jährige ist in Top-Form und angesichts der chronischen Beschwerden von Sturmpartner Robin van Persie der Torgarant des WM-Zweiten. "Er ist ein unglaublicher Spieler, ein Top-Profi. Für mich ist er auf einem Level mit absoluten Weltklasse-Spielern wie Messi, Neymar oder Ronaldo", schwärmte Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer jüngst.

Während viele von Robbens Münchner Kollegen nach der bereits im Frühjahr gewonnenen Meisterschaft nachließen, sprühte Robbens Gier aus jeder Pore. Sein unbändiger Ehrgeiz ist beim Training der Elftal im Flamengo-Stadion in Rio de Janeiro auch jetzt wieder zu bestaunen. Wenn er einen Pass erwartet, schiebt er ungeduldig den Oberkörper nach vorne und hüpft auf der Stelle. Und vor dem Tor ist seine Gier gar grenzenlos. Robben will. Immer. Das bekam am Sonntag Teamkollege Bruno Martins Indi bei einer kleinen Rangelei zu spüren.

Diese Besessenheit und die Fähigkeit, seinen einst übertriebenen Egoismus zu zähmen, haben Robben, den "Versager" von 2010 und bei Bayern Münchens "Drama dahoam" 2012, zu einem Mann für Finals gemacht. 2013 brachte er den Bayern mit seinem Tor im Endspiel der Champions League gegen Borussia Dortmund den Henkelpott. Vor wenigen Wochen ebnete er den Münchnern, wieder gegen den BVB, den Weg zum DFB-Pokalsieg.

"Das sind die schönsten Spiele, dafür arbeitet man das ganze Jahr. Die muss man genießen", sagte Robben nach dem Cup-Finale. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus adelte ihn danach zum "Gesicht des FC Bayern" der abgelaufenen Saison: "Er bereitet Tore vor, er stellt sich in den Dienst der Mannschaft, trifft selbst. Seine Entwicklung, seine Leistungen verdienen höchsten Respekt."

Aus dem früher dauerverletzten "Mann aus Glas" ist der Unverwüstliche geworden. Louis van Gaal zählt auf ihn. Im neuen 5-3-2-System des Trainers soll Robben als zweite Spitze neben van Persie für Tore sorgen. Diese Formation wurde zuletzt im Training fast bis zum Erbrechen einstudiert. In der Heimat rümpfen manche die Nase über die Abkehr vom traditionellen 4-3-3, doch Robbens Partner van Persie meint: "Wir passen gut zusammen. Es ist anders, aber wir kommen so zu Chancen." Vielleicht sogar zu der Chance, einen schöneren Film als 2010 zu drehen.

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Auf einen BlickSpaniens Final-Held von 2010 bläst erneut zur Titeljagd. "Nach den beiden EM-Triumphen und dem bei der WM vor vier Jahren wäre der Titel in Brasilien wie ein Goldschatz für uns", sagte Andrés Iniesta vor der Partie gegen die Niederlande. 16 Weltmeister sind im Aufgebot. Vor Torhüter Iker Casillas steht mit Sergio Ramos und Piqué das wohl beste Abwehrzentrum der Welt. Davor räumen Sergio Busquets und Xabi Alonso noch immer gnadenlos ab. Und in der Offensive haben die Tiki-Taka-Meister Iniesta und Xavi mit Mittelstürmer Diego Costa von Atlético Madrid "etwas ganz Neues dazubekomen" (Iniesta). Der gebürtige Brasilianer soll Spaniens Ballbesitz noch effektiver machen. sid

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