Das Toptalent stiehlt allen die Show

Hamburg · Sie ist die Jüngste – und beim WM-Heimrennen der Triathleten in Hamburg trotzdem die beste Deutsche. Die 19-jährige Schülerin Laura Lindemann hat sich am Samstag mit Platz sieben in den Fokus gerückt.

 Das 19-jährige Toptalent Laura Lindemann feiert ihren sieben Platz beim WM-Rennen in Hamburg. Fotos: Reinhardt/dpa

Das 19-jährige Toptalent Laura Lindemann feiert ihren sieben Platz beim WM-Rennen in Hamburg. Fotos: Reinhardt/dpa

 Justus Nieschlag aus Saarbrücken wird als Zehnter bester Deutscher bei den Männern.

Justus Nieschlag aus Saarbrücken wird als Zehnter bester Deutscher bei den Männern.

 Ralf Ebli

Ralf Ebli

Ihre Geste zeigt die Richtung an. Während Laura Lindemann die letzten Meter bis zur Ziellinie beschreitet, getragen vom frenetischen Jubel und Applaus der Zuschauer, streckt sie beide Zeigefinger in die Höhe und lacht. Die Jüngste im Team der deutschen Triathletinnen stiehlt den anderen die Show. Erst der deutsche Meistertitel der Elite in Nürnberg, vor einer Woche der Sieg bei den Europameisterschaften der Junioren in Genf - und jetzt das. In Hamburg , der siebten Station der Weltmeisterschafts-Serie, gelingt der 19-Jährigen am Samstag als stärkster Deutscher mit Rang sieben ihre bisher beste Weltcup-Platzierung.

"Die letzten Wochen waren schon hart", gesteht die Schülerin aus Potsdam, während sie ihren Puls nach dem Heimrennen wieder runterfährt: "Dass es auch heute hart wird, war zu erwarten. Aber das Rennen lief gut - genau nach meinen Vorstellungen." Von Beginn an platziert sich Lindemann in der Spitzengruppe, kommt nach dem Schwimmen über 750 Meter schnell aus der Alster raus und setzt sich mit Anja Knapp (Dettingen/Erms) nach den ersten Runden auf dem Rad durch die Hamburger Innenstadt in der zwölfköpfigen Spitzengruppe fest.

Das Verfolgerfeld, das zwischenzeitlich Rebecca Robisch (Triathlonfreunde Saarlouis) anführt, hat da schon fast eine halbe Minute Rückstand. "Beim Schwimmen habe ich ein bisschen die Orientierung verloren", erklärt die 27-jährige Robisch: "Von der Leistung her war es aber trotzdem gut." Auf der vorletzten Radrunde bündelt Robisch ihre Kräfte und führt ihr Feld wieder an die Spitzengruppe mit Lindemann und Knapp ran - alle drei gehen nach den 20 Kilometern nur wenige Meter hinter den Führenden auf die Laufstrecke. Doch dann ziehen die Favoritinnen davon - allen voran Gwen Jorgensen (USA) und Vicky Holland (Großbritannien). Jorgensen feiert später ihren sechsten Erfolg in dieser WM-Serie. Anja Knapp kann das Lauftempo nicht halten, auch bei Rebecca Robisch werden nach dem Kraftakt auf dem Rad die Beine schwer. Anne Haug (Bayreuth) kann im dritten Abschnitt noch einige Plätze gut machen, hat aber wie Hanna Philippin (Saarbrücken) und Sophia Saller (Ingolstadt) mit den vorderen Rängen nichts mehr zu tun.

Das deutsche Toptalent Lindemann hingegen bleibt bis zum Ende im Fokus - bei dem Rennen , das für sie "schöner war als jedes andere zuvor". Während sie sich schon feiern lässt, verteilt Robisch Handküsse an die 150 000 Zuschauer am Streckenrand, als sie nach fünf Kilometern auf der Laufstrecke als Zehnte durchs Ziel kommt. "Am Ende, als ich gesehen habe, dass von hinten keiner mehr nachkommt, konnte ich das Heimrennen auch genießen", sagt sie: "Vor diesem Publikum ein solches Ergebnis zu erzielen, ist einfach fantastisch."

Damit spricht sie Justus Nieschlag aus der Seele. "Ein Gänsehautgefühl. Hier in Hamburg ist das Kribbeln besonders groß", sagt der 23-Jährige, der für seinen Heimatverein Lehrter SV startet, aber seit fast zwei Jahren in Saarbrücken lebt und trainiert: "Die Leute machen hier ganz schön Stimmung." Und zwar aus gutem Grund. Nieschlag gestaltet das Rennen der Männer-Elite lange Zeit mit. Spitzengruppe während des Schwimmens, Spitzengruppe auf der Radstrecke. Als Führender stürzt sich Nieschlag auf die Laufstrecke. "Auf dem ersten Kilometer wurde ich vom Publikum getragen. Da musste ich mich zügeln", sagt er. Dass ihn das Top-Duo Javier Gomez (Spanien) und Vincent Luis (Frankreich) schnell abhängt, stört ihn nicht. "Ich weiß, dass ich beim Laufen die größten Defizite habe", meint Nieschlag.

Nachdem sich der Franzose Luis im Schlusssprint gegen den Favoriten Gomez durchsetzt, kommt der beste Deutsche Nieschlag als Zehnter an - vor Gregor Buchholz (LAZ Saarbrücken , 18. Platz), Steffen Justus (Triathlonfreunde Saarlouis, 27.) und Maximilian Schwetz (TV Bous, 33.). Große Gesten spart er sich. Dabei hätte er sie sich an diesem Tag, so wie Lindemann und Robisch, durchaus leisten können.

In der Mixed-Staffel haben die Triathleten gestern eine WM-Medaille verpasst. Lindemann, Nieschlag, Robisch und Buchholz mussten sich Frankreich, Australien und Großbritannien geschlagen geben.

Herr Ebli, wie ist Ihre Gefühlslage nach den Elite-Rennen?

Ralf Ebli: Ich bin zufrieden. Wir haben einen soliden Auftritt hingelegt. Mit drei Platzierungen unter den Top Zehn haben wir unsere Zielsetzung erfüllt und dabei wirklich schöne Einzelleistungen gesehen.

Gilt das insbesondere für Justus Nieschlag und Laura Lindemann?

Ebli: Justus Nieschlag hat gezeigt, dass er zur erweiterten Weltspitze gehört. Er hat ein sehr gutes Rennen gemacht, auch die anderen haben gute Leistungen gezeigt. Nur Steffen Justus hat diesmal einfach keinen guten Tag erwischt. Bei den Frauen war das Rennen noch stärker. Dass Laura Lindemann zum ersten Mal eine Top-Zehn-Platzierung geschafft hat, ist wirklich beachtenswert. Mir hat auch gut gefallen, dass Rebecca Robisch auf dem Rad sehr offensiv wurde und noch mal rangekommen ist - genauso wie Anne Haug, die auf Platz 15 vorgelaufen ist.

Wie sieht jetzt der weitere Fahrplan im Hinblick auf den Olympia-Testwettkampf in Rio de Janeiro am 2. August aus?

Ebli: Das Team reist am Montag direkt von Hamburg aus weiter nach Brasilien. Dort werden wir uns in unserem Außenquartier vorbereiten und drei Tage vor dem Wettkampf nach Rio fahren. So, wie wir es auch 2016 machen werden.

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