Das Pfeifen im Walde

Madrid · Überlegen, keine Tore, anfällig für Konter: Nach dem 0:1 bei Real Madrid im Halbfinal-Hinspiel der Champions League beschleicht den FC Bayern das dumpfe Gefühl, dass es mit dem Einzug in das Finale vielleicht nicht klappen könnte.

Kurz vor Mitternacht versuchte sich Karl-Heinz Rummenigge als Mutmacher. Die Stimmung im Bankettsaal war nicht die allerbeste, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München wurde deshalb für seine Verhältnisse sehr emotional. Nein, sagte er, das 0:1 (0:1) sei sicher "kein Wunschergebnis", aber Real Madrid werde sich noch wundern. Beim Rückspiel am kommenden Dienstag werde in München "der Baum brennen", die Königlichen würden sich an eine "Hölle erinnert" fühlen. Er glaube fest daran, "dass wir das packen" - den Einzug ins Champions-League-Endspiel am 24. Mai in Lissabon.

Rummenigges Worte klangen ein wenig wie das Pfeifen im Walde. Denn selbst Pep Guardiola stellte fest: "Jetzt wird es schwierig für uns." Schwierig, "weil wir kein Tor geschossen haben". Schwierig auch, weil Madrid "die beste Kontermannschaft der Welt ist" - und auch in München für ein Tor gut sein dürfte. In einer Woche, sagte Guardiola, "geht es auf Leben und Tod, wir müssen ins Finale kommen".

In Madrid reichten 64 Prozent Ballbesitz, 16 Schussversuche und 15 Eckbälle nicht für ein Tor aus. Sicher, die Münchner waren überlegen, aber Sportvorstand Matthias Sammer stellte zurecht fest: "Zu unserem Ballbesitz und unserer Dominanz muss der gnadenlose Abschluss kommen, um ins Finale einzuziehen." In der Tat hatten die Bayern nur eine gute Chance: In der 84. Minute schoss Mario Götze aus kurzer Distanz Torhüter Iker Casillas an. Etwas wenig für insgesamt 95 Minuten Spielzeit.

Guardiola, der als Trainer in Madrid noch kein Spiel verloren hatte, ging sogar so weit, zu sagen: "Real Madrid war besser als wir." Zumindest spielten die cleveren Königlichen vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw verdammt effektiv. Wie schon andere Trainer vor ihm begegnete auch Carlo Ancelotti der Spielidee des Kollegen Guardiola mit geordneter Abwehrarbeit, hinzu kamen Konter vom Allerfeinsten. Einen schloss Karim Benzema mit dem Tor des Abends ab (19.), und es hätten durch Cristiano Ronaldo oder Angel di Maria auch noch ein, zwei Treffer mehr werden können.

Den Münchnern war der Frust über einen Abend mit viel Aufwand und ohne Ertrag anzumerken, auch wenn sie hervorhoben, wie gut sie gespielt hätten. Philipp Lahm etwa betonte: "Wir haben bei Real Madrid, das ja nicht irgendeine blinde Mannschaft ist, die man locker mal an die Wand spielt, über 95 Minuten dominiert." Er sehe die Leistung durchweg "sehr, sehr positiv, nur das Ergebnis stimmt halt nicht. Wir haben noch alle Möglichkeiten, weil die Mannschaft die Qualität hat, zu Hause mit zwei Toren Unterschied zu gewinnen".

Die Qualität hat sie zweifelsohne, aber nicht alle Spieler zeigten sie auch. Franck Ribéry etwa spielte wie eine schlechte Kopie seiner selbst, Bastian Schweinsteiger blieb wirkungslos, Jerome Boateng wirkte bisweilen desorientiert. Hinzu kommt, dass die Münchner Bammel haben vor den Real-Kontern. "Im Konter sind die tödlich. Wir müssen aufpassen", sagte Arjen Robben.

Den Bayern scheint allerdings auch zu dämmern, dass es mit der Triple-Verteidigung am Ende vielleicht doch nichts werden könnte. Die große "Mia san mia"-Überzeugung klang nicht aus den Worten der Münchner. Am zuversichtlichsten klang noch Müller: "Es wäre kein Wunder", sagte er, "wenn wir das 1:0 noch aufholen." Es ist aber auch keine Selbstverständlichkeit.

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