Das orangene Kap

Kapstadt. Helen Zille gilt als resolute Frau. Die Oberbürgermeisterin von Kapstadt gehört nicht zur Kategorie südafrikanischer Politiker, die mit pompösen Worten ihrer Wählerschaft das Blaue vom Himmel versprechen, um es später nicht zu halten. Sie ist vor der WM auch selten bei den vielen Partys zur Einstimmung auf das Großereignis gegangen

 Kapstadt. Helen Zille gilt als resolute Frau. Die Oberbürgermeisterin von Kapstadt gehört nicht zur Kategorie südafrikanischer Politiker, die mit pompösen Worten ihrer Wählerschaft das Blaue vom Himmel versprechen, um es später nicht zu halten. Sie ist vor der WM auch selten bei den vielen Partys zur Einstimmung auf das Großereignis gegangen. Lieber hat sie vor der Machtübernahme durch den Fußball-Weltverband Fifa für die Rechte ihrer Stadt gekämpft.

Nach der WM hat sie sich gleich den nächsten Gegner ausgeguckt: die alten Machthaber und Befürworter der Apartheid. Deshalb werden in absehbarer Zeit in Kapstadt bekannte Straßennamen verschwinden. "Jan Smuts Drive", "Hans Strydom Avenue" oder "Jip de Jager Street" wird es bald nicht mehr geben. Stattdessen werden sie "Dullah Omar Drive", "Albert Luthuli Avenue" oder "Dulcie September Drive" heißen. Denn warum an einen wie Staatsmann und General Jan Christiaan Smuts erinnern, der anfangs des Jahrhunderts maßgeblich für die Entstehung der Apartheid verantwortlich war?

"Wir werden diesen Prozess sehr vorsichtig angehen", hat Oberbürgermeisterin Zille versprochen. Sie kennt natürlich die Entstehungsgeschichte ihrer Stadt. Und sie weiß, dass die am 6. April 1652 vom Kommandanten Jan van Riebeeck begonnene holländische Besiedlung eine Menge leidvolle Kapitel geschrieben hat. Doch wenn nun niederländische Fußball-Fans in Scharen in die Stadt strömen und "Die Kaap ist Hollands vanaand!" über Straßen und Flughäfen, Vorplätze und Party-Meilen grölen, ist das für Zille kein wirkliches Problem. Übersetzt heißt das ungefähr, das Kap befinde sich in holländischer Hand. Der uralte Song geht auf die burische Übernahme zurück. Doch es gibt Zeiten, da ist Party wichtiger als Politik. Besonders wenn Fußball-WM ist. Der orangene Wahnsinn darf mit Billigung der Bürgermeisterin also weitergehen.

Fast 70 000 niederländische Fans werden in der Tafelbucht erwartet, wenn die Niederlande gegen Uruguay morgen das erste Halbfinale bestreiten (20.30 Uhr/ZDF). Wer sich zwischen Venlo und Zwolle, Assen und Amsterdam dazu entschied, den europäischen Sommer mit dem südafrikanischen Winter zu tauschen, bekommt als Entschädigung weltmeisterliche Hitzewallungen vor lauter Freude. Spätestens nach dem 2:1 gegen Brasilien ist der lange vermisste Schulterschluss zwischen Fans und Mannschaft vollzogen. "Der Höhepunkt ist noch nicht erreicht", sagt Trainer Bert van Marwijk, "wir haben eine Mission zu erfüllen und wollten Weltmeister werden, aber das nächste Spiel ist ein ganz gefährliches. Die Spieler von Uruguay sind große Überlebenskünstler."

Während den Südamerikanern Top-Stürmer Luis Suarez fehlt, der beim 5:3 nach Elfmeterschießen gegen Ghana wegen Handspiels die Rote Karte sah, muss er zwei gelbgesperrte Defensiv-Recken ersetzen. Für Gregory van der Wiel dürfte wohl Khalid Boulahrouz vom VfB Stuttgart rechts verteidigen, für Nigel de Jong wird vermutlich Demy de Zeeuw die Doppel-Sechs mit Bayern Münchens Mark van Bommel bilden. Das Selbstvertrauen wird durch die Umstellungen nicht entscheidend gemildert. "Dieses Team ist reif, es hat ein System verinnerlicht", glaubt van Marwijks Assistent Frank de Boer, "wir können jetzt ein Spiel auch schlecht beginnen und doch siegen."

Für Dirk Kuyt, den Offensivmann vom FC Liverpool, ist eine erstaunliche Entwicklung eingetreten: "Bei der WM in Deutschland ist bei uns gegen Portugal alles außer Kontrolle geraten. Die Partie jetzt gegen Uruguay werden wir so spielen, als wäre sie die letzte Partie unseres Lebens." Und der wahlweise über den rechten oder linken Flügel agierende Vorkämpfer glaubt: "In dieser Gruppe steckt so viel. Wir wollen mehr. Wir wollen alles." Und das Kap wieder ganz in orange tauchen. Zumindest einmal noch am Dienstag.

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