Spezielle Art der „Vorbereitung“ Das Olympische Dorf der Liebe

Pyeongchang · Rekord: 110 000 Kondome haben die Olympia-Organisatoren alleine im Athletendorf verteilt.

Ein Wisch nach rechts genügt. Zumindest meistens. Und wenn der Freiraum zwischen den Wettkämpfen ohnehin arg begrenzt ist, dann kommt unkompliziertes „Speed-Dating“ gerade recht. Ein Match, etwas Smalltalk – und schon läuft die Sache. Warum sollte das im Athletendorf der Olympischen Spiele auch anders sein?

Die Dating-App Tinder scheint bei den Sportlern jedenfalls während der Winterspiele in Pyeongchang hoch im Kurs zu stehen. Nicht wenige Teilnehmer sollen, wenn man dem Instagram-Account „@tinderpyeongchang“ Glauben schenken mag, auf Tinder ihr Glück (ver-)suchen. Ob sie sich ihr Profil dabei ex­tra erstellt oder das alte nur nicht gelöscht haben – geschenkt. 110 000 verteilte Kondome belegen, dass es im „Wunderland“, wie es die ehemalige US-Skirennläuferin Carrie Sheinberg einst beschrieb, erfahrungsgemäß heiß hergeht.

„Es war magisch, ein Märchen, wie Alice im Wunderland, wo alles möglich ist“, sagte Sheinberg über ihre Erlebnisse. Ganz nebenbei sei eine Liaison hin und wieder ja auch „Trost für verpasstes Edelmetall. Entweder man gewinnt eine Medaille, oder man schläft mit einem heißen Typen.“ US-Schwimmer Ryan Lochte, der 2008 noch bereut hatte, während der Spiele in Peking liiert gewesen zu sein, ging von einer Sex-Rate bei Olympioniken von „70 bis 75 Prozent“ aus.

Dabei kann es sich um Affären oder einmalige Abenteuer drehen, muss es aber nicht. Denn unzählige Teilnehmer sind liiert. Im deutschen Lager reisten die Biathleten Simon Schempp und Franziska Preuß, Fabien Rießle (Nordische Kombination) und Sandra Ringwald (Langlauf) oder etwa die Snowboarder Ramona Hofmeister und Johannes Höpfl als Paar nach Pyeongchang.

Und sie sollten sich Zeit für gemeinsame Stunden nehmen. „Prinzipiell könnte Sex während der Olympischen Spiele nämlich erfolgsbringend sein, denn durch die körperliche Ertüchtigung wirkt man positiv auf den Stressabbau ein“, sagt Professor Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln. Wer also am Tag vor dem Wettkampf nervös ist, sollte „es“ unbedingt tun. Aber Vorsicht ist geboten, die richtige „Dosierung“ ist auch hier der entscheidende Faktor. „Das Hormon Testosteron wird bei Männern abgebaut, man verliert somit die Aggressivität“, sagte Froböse: „Das kann bei schnellkräftigen Disziplinen sogar zu Leistungseinbußen führen.“ Und das wollen die Sportler genauso wenig wie HIV oder eine kleine Überraschung in neun Monaten.

Auch deshalb hatte das Unternehmen Convenience Co. besagte 100 000 Präservative zur Verfügung gestellt. Mit den restlichen 10 000 der koreanischen Behörde für AIDS-Prävention ergibt dies einen Rekord – noch nie wurden bei Winterspielen mehr „Verhüterlis“ verteilt. Dass dies ausgerechnet in Südkorea der Fall ist, dürfte dabei kein Zufall sein. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul waren erstmals Gratis-Kondome an die Athleten verteilt worden, das Land gilt in Sachen Sex auch heute noch als sehr konservativ. „Es ist gut möglich“, sagt Professor Hyeouk Chris Hahm, der an der Universität in Boston die sexuellen Verhaltensweisen der Südkoreaner erforscht hat, „dass nun ein offener Umgang mit der Thematik in Gang gesetzt wird.“

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