Das letzte Hurra des Veteranen

Melbourne · Tennis-Profi Tommy Haas ist in seiner langen Karriere so oft verletzt gewesen wie kaum ein anderer Athlet auf der ATP-Tour. In Melbourne trotzt der 38-Jährige seinem Körper und kehrt wieder auf die große Bühne zurück.

Für seine letzte Tennis-Mission hat er sich sogar ein eigenes Schlagwort gegeben. Es ist eine Redewendung, die der leidgeplagte Tommy Haas schon länger in seiner endlosen Chronik von Verletzungen und Zwangspausen gebraucht. "Zu meinen eigenen Bedingungen" heißt das Schlagwort des 38-jährigen Veteranen : Haas, dieser ewige Pechvogel, dieser ewig Gebeutelte und ewig neu Beginnende, will mit dem Tennis aufhören, wenn er es will. Und nicht, wenn Ärzte es ihm dringend raten oder wenn ihm sein Körper einen nächsten üblen Streich spielt. "Ich habe so viel durchgemacht. Jetzt will ich wenigstens einen würdigen Abschied", sagt der gebürtige Hamburger, der seit vielen Jahren mit seiner Frau und zwei Kindern wechselweise in Kalifornien und Florida lebt.

Wenn am Montag in Melbourne das erste Grand-Slam-Turnier der Saison beginnt, wird Haas noch einmal dabei sein. 19 Jahre, nachdem er als 19-jähriger 1998 zum ersten Mal im australischen Sommer an den Start ging. Viel hat sich seitdem geändert. Er hat inzwischen auch einen amerikanischen Pass und ist Turnier-Direktor eines der wertvollsten ATP-Turniere in Indian Wells geworden. Aber er ist in der Tiefe seines Herzens immer noch Tennisprofi - ein Mann, der abseits aller körperlichen Leiden weiter auf das Duell Mann gegen Mann in einer der großen Arenen brennt. "Ein volles Stadion, die Begeisterung der Zuschauer, der sportliche Kampf. Das ist es, für was du dich quälst in vielen Trainingsstunden", sagt Haas.

Niemand musste über die Jahre so viele Schmerzen und Entbehrungen für seinen Sport, für die ganz besonderen Momente auf den "Centre Courts" ertragen wie Haas. Häufig kannte er Arztpraxen genau so gut wie Tennis-Plätze, der wiederholt gravierend verletzte Deutsche sei so etwas wie der "Sisyphos des Tennis, schrieb die Zeitung "New York Times". "Es ist bewundernswert, wie er das alles durchgestanden hat", sagt Roger Federer , einer der besten Freunde von Haas auf der ATP-Tour.

Was ihm kaum jemand zugetraut hätte, macht er nun wieder möglich: Mit 38 Jahren kämpfte er sich noch einmal in einer leidenschaftlichen Kraftanstrengung zurück in die Hochleistungsgesellschaft der Berufsspieler. Er wartete dabei so lange, bis er sich "einigermaßen sicher" war, auf einem vernünftigen, wettkampftauglichen Niveau mitmischen zu können. "Ich will nicht einfach nur auf den Platz gehen. Ich will auch noch ein paar Spiele gewinnen", sagt Haas. Bei einem Schaukampf-Turnier auf der alten Grand-Slam-Anlage in Melbournes Stadtteil Kooyong jedenfalls zeigte Haas, dass noch Qualität in ihm steckt.

Melbourne ist in seiner Achterbahn-Karriere der erfolgreichste Schauplatz gewesen. Mit 20 erreichte Haas dort sein erstes Grand-Slam-Halbfinale. Er verlor dann gegen den Russen Jewgeni Kafelnikow. Noch zwei Mal stand er in der Vorschlussrunde, 2005 und 2007. Vor zehn Jahren hatte Haas auch einen seiner bemerkenswertesten Auftritte überhaupt, im Viertelfinale gegen den Russen Nikolai Dawidenko - in einem während einer Pause von Mikrofonen eingefangenen Monolog, der sich wie ein Lauffeuer im Internet verbreitete: "So kannst Du nicht gewinnen, Hasi. Das geht nicht. Ich habe keinen Bock mehr auf die Scheiße."

So war es eigentlich immer mit Haas. Er war ein Mann für das Unerwartete, für erstaunliche Drehungen und Wendungen, im Guten wie im Schlechten. Langweilig wurde es einem selten mit ihm. "Er hat sich jetzt einfach einen tollen Abschied verdient", sagt der deutsche Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann. Auf Deutschland und die deutschen Turniere wird sich Haas auch konzentrieren bei diesem letzten Hurra, beim großen persönlichen Finale - 20 Jahre nach den ersten Versuchen.

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Auf Einen Blick Angelique Kerber hat zum Auftakt ihrer Mission Titelverteidigung bei den Australian Open in Melbourne ein gutes Los erwischt. Die Weltranglisten-Erste trifft in der ersten Runde auf Lessia Zurenko (Ukraine, Nummer 61 der Welt). Schwere Gegner warten auf Florian Mayer, Dustin Brown und Jan-Lennard Struff. Mayer bekommt es mit dem Spanier Rafael Nadal zu tun. Brown spielt gegen Wimbledon-Finalist Milos Raonic aus Kanada. Struff fordert den Österreicher Dominic Thiem, Tommy Haas den Franzosen Benoit Paire. Der Orscholzer Benjamin Becker ist in der Qualifikation nach dem 4:6, 7:5 und 8:10 gegen Miljan Zekic aus Serbien ausgeschieden. sid/red

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