Das Finale spaltet eine Stadt

Madrid · Noch nie gab es ein Stadtduell um den wichtigsten Titel im europäischen Vereinsfußball. Verwunderlich ist es nicht, dass Madrid in zwei Lager gespalten ist. An diesem Samstag treffen Real und Atlético aufeinander.

Der Riss geht quer durch die Stadt, durch ihre Viertel, durch viele Familien. Und sogar durchs spanische Königshaus. Thronerbe Felipe ist ein leidenschaftlicher Fan von Atlético Madrid, dem armen Aufsteiger-Club, der gerade mit dem Gewinn der Meisterschaft für eine Sensation sorgte. Monarch Juan Carlos feuert derweil lieber den ehrwürdigen königlichen Verein Real Madrid an. Dieser trägt ja schließlich auch die Königskrone im Wappen, musste sich in der Liga dieses Mal aber mit dem dritten Platz begnügen.

Erstmals in der Geschichte treffen die beiden Madrider Stadtrivalen nun im Finale der Champions League - an diesem Samstag in Lissabon (20.45 Uhr/ZDF) - aufeinander. Sie kämpfen um den wichtigsten Vereinstitel Europas. Der lange Zeit belächelte Arbeiter-Club aus dem Süden Madrids, der sich mit wenig Geld und viel Teamgeist nach ganz oben durchboxte. Und der reiche Nobelverein aus der nördlichen Stadthälfte, bei dem Clubpräsident und Milliardär Florentino Pérez mit dem Scheckheft regiert und gerne die teuersten Spieler der Welt einkauft.

Doch Geld ist nicht alles, wie man gerade sieht: Außenseiter Atlético hat nicht einmal ein Viertel jenes Etats, mit dem die Fußball-Weltmacht Real klotzen kann - etwa 120 Millionen Euro gegen mehr als 500 Millionen. Kein Atlético-Spieler wird mit einem einzigen Monatsnettogehalt zum Millionär, wie es etwa bei Real-Star und Weltfußballer Cristiano Ronaldo der Fall ist. Die Finanzprobleme von "Atleti", wie der Verein kurz genannt wird, zwingen ihn regelmäßig dazu, die besten Spieler zu verkaufen - auch Torjäger Diego Costa wird sich deswegen wohl zum FC Chelsea verabschieden.

Aber was ist das Erfolgsgeheimnis von Atlético? "Arbeit, Arbeit, Arbeit", sagt Trainer Diego Simeone knapp. Der Argentinier hat es in zweieinhalb Jahren geschafft, aus einem wilden Haufen von Spielern ein knallhartes Team zu formen, in dem jeder bereit ist, für die Mannschaft zu sterben. "Gehe in jedes Spiel so, als wäre es dein letztes", feuert Simeone seine Männer an.

Zwei Welten spiegeln sich auch in den Stadien der Rivalen wider: Die Königlichen logieren in der komfortablen Bernabéu-Arena an Madrids feiner Prachtallee "Paseo de la Castellana". Wo schon allein eine Besichtigungstour des Stadions happige 19 Euro kostet. Und wo die sündhaft teuren Spiel-Eintrittskarten für viele unter der Wirtschaftskrise leidenden Spanier unerschwinglich sind. Atlético rackert derweil im zugigen Calderón-Stadion an der Stadtautobahn. Stadion-Tour wie der Spielbesuch sind sehr viel billiger als beim Nachbarn.

Das Caldéron gilt als einer der "heißesten" Plätze Spaniens, wo keine Lautsprechermusik, sondern Fangesänge die Tribünen vibrieren lassen. "Atleti, Atleti, Atlético de Madrid" klingt es vielstimmig von den Rängen, "wir kämpfen wie Brüder". Im Bernabéu läuft vor Spielbeginn die Puccini-Arie "Nessun Dorma" vom Band mit den aufmunternden Zeilen "Ich werde siegen, ich werde siegen." Was die Anhänger vielleicht noch mit einem braven "Hala Madrid!" (Auf geht's, Madrid) begleiten, und was dem Stadion den Beinamen "Oper" einbrachte.

Das "Finalísima" in Lissabon spaltet die spanische Hauptstadt derart, dass die Polizei den Plan der Madrider Bürgermeisterin Ana Botella, eine Riesenleinwand auf dem zentralen Platz "Puerta del Sol" aufzustellen, entsetzt ablehnte. Das Champions-League-Finale sei "ein Spiel mit hohem Risiko", warnte eine Sprecherin der Sicherheitsbehörden. Beide Vereine bauen nun in ihren Stadien, die sieben Kilometer auseinander liegen, gigantische Bildschirme auf. Und wie auch immer das Duell am Samstagabend in Lissabon ausgeht: In der spanischen Kapitale wird es auf jeden Fall eine euphorische Siegesfiesta geben.

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Auf einen BlickFußball-Nationalspieler Sami Khedira steht dem spanischen Rekordmeister Real Madrid im Champions-League-Finale an diesem Samstag in Lissabon gegen Stadtrivale Atlético zur Verfügung. Das bestätigte Trainer Carlo Ancelotti. Nach Einschätzung der meisten spanischen Medien wird der 27 Jahre alte Stuttgarter jedoch nicht von Anfang an zum Einsatz kommen. Für den gesperrten Stammspieler Xabi Alonso werde Ancelotti dem 24-jährigen Asier Illarramendi den Vorzug geben, heißt es. 177 Tage nach seinem Kreuzbandriss hatte Khedira am 11. Mai im Spiel bei Celta de Vigo (0:2) seine Rückkehr gefeiert. dpa

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