Das Ende einer Ära?

London · Der Traum von 17. Titel ist für Phil Taylor vorzeitig geplatzt. Bei seinem Aus im Achtelfinale der Weltmeisterschaft in London wirkte der einstige Darts-Dominator wie eine schlechte Kopie seiner selbst.

Fast stoisch zielte Rekordweltmeister Phil Taylor auf die Doppel-16. Sein Lieblingsfeld unten links an der Dartscheibe, das er stets nahezu blind traf und das ihn in den vergangenen Dekaden 16 Mal zum Weltmeister und zu dem Aushängeschild im Darts-Sport gemacht hatte. Er zielte also, als wolle er sich selbst beweisen, dass er noch immer der Alte ist. Doch er verfehlte die Doppel-16. Immer wieder.

Dabei schien es zwischenzeitlich, als sei alles wie früher, als er zwischen 1995 und 2006 mit einer Ausnahme sämtliche WM-Titel abräumte. Taylor zielte, Taylor traf, Taylor lächelte siegessicher und spielte mit dem Publikum. Doch dann kam die nächste Aufnahme, und die Körpersprache war wieder eine ganz andere. Frei nach dem Motto: Was mache ich hier eigentlich?

Nach einer knappen 3:4-Niederlage gegen den Niederländer Jelle Klaasen ist die WM für Taylor jedenfalls beendet. Bei dem Turnier, bei dem er früher reihenweise 180er geworfen hatte, gelangen ihm im Achtelfinale nur fünf - seinem Gegenspieler dreimal so viele.

Trotzdem hätte Taylor dieses Match vor einigen Jahren niemals verloren. Als er im sechsten Satz schon wie der sichere Verlierer aussah, kämpfte er sich in die Partie zurück und erspielte sich beim Stand von 2:0 im siebten Satz einen Matchdart. Diesen vergab er, das Duell kippte, Taylor hatte nichts mehr entgegenzusetzen.

Wirklich überraschend kam die Niederlage nicht. Im abgelaufenen Kalenderjahr gelang dem 55-Jährigen aus der englischen Darts-Hochburg Stoke-on-Trent nicht viel. Taylor, der vor seiner Karriere für einen Hungerlohn Toilettenpapierhalter zusammengeschraubt hatte und durch Darts zum Multimillionär wurde, gewann kein einziges großes Turnier.

Privat musste er den Tod seiner geliebten Mutter verkraften, seine Ehe ging in die Brüche. "Ich bin nicht fit genug", merkte der 55-Jährige selbstkritisch an: "Ich bin mental nicht mehr in der richtigen Position. In meinem Leben passieren gerade einige Dinge."

Vor der WM ließ Taylor nichts unversucht, um wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren. Mit leichteren Pfeilen wagte er einen Neustart, doch sein Plan ging nicht auf. Nach seinem WM-Auftaktmatch griff er wieder zu seinen gewohnten Darts. Erfolglos.

War's das also jetzt mit der Karriere des großen Phil Taylor? Wohl kaum, denn anders als in deutlich besseren Zeiten trägt er sich anscheinend keinesfalls mit Rücktrittsgedanken: "Ich muss das Jahr hinter mir lassen und schauen, ob ich die Dinge im nächsten Jahr zurechtrücken kann." Wenn das jemandem gelingen kann, dann doch wohl Phil Taylor.

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