Motorsport Das Ende der DTM scheint eingeläutet
Stuttgart · Mercedes zieht sich Ende 2018 aus der Tourenwagenserie zurück. Audi und BMW vermeiden nun ein klares Bekenntnis.
Der Donnerschlag aus heiterem Himmel drängt das Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) an den Rand der Existenz. Nach dem verkündeten Rückzug von Mercedes vermeiden die Mitstreiter Audi und BMW ein klares Bekenntnis zur Tourenwagenserie. Die Verlängerung des auslaufenden Fernsehvertrags mit der ARD erscheint nach der Abschiedsankündigung des erfolgreichsten DTM-Herstellers zum Ende der Saison 2018 höchst zweifelhaft.
Die neue Führungsriege des Vermarkters ITR um den früheren Formel-1-Star Gerhard Berger muss statt kleiner Schönheitskorrekturen am Konzept plötzlich händeringend einen namhaften Mercedes-Ersatz gewinnen. Es wird wohl eine Sisyphosaufgabe – zumal die großen Hersteller offenkundig magisch von der Elektroserie Formel E angezogen werden.
Audi und BMW jedenfalls wollten in einer ersten Reaktion keine Garantie geben, der DTM langfristig die Treue zu halten. „Die Konsequenzen für Audi und die DTM sind adhoc nicht absehbar“, sagte Audi-Sportchef Dieter Gass. Es gelte, „Lösungen zu finden und Alternativen zur DTM zu bewerten“. Auch BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt erklärte, man werde „diese neue Situation nun bewerten“.
Für den früheren Formel-1-Piloten Ralf Schumacher ist der Rückzug von Mercedes nicht weniger als ein „herber Schlag für den deutschen Motorsport“. Der 42-Jährige, der von 2008 bis 2012 für die Stuttgarter in der DTM hinter dem Steuer saß, sagte: „Ich hoffe, Gerhard Berger hat einen Plan B. Die DTM ist eine tolle Plattform für viele Fahrer. Ein Aus wäre ein herber Verlust.“
In Mercedes verliert die DTM gewissermaßen ihr Pendant zu Ferrari in der Formel 1. Die Stuttgarter waren in 26 von bislang 31 Saisons dabei und führen nahezu alle Rekordstatistiken an. Zehn Fahrermeisterschaften und 13 Teamtitel sind ebenso unerreicht wie 183 Rennsiege, 128 Pole Positions sowie 540 Podestplätze.
Die Mitstreiter Audi und BMW werden nun urplötzlich vor die Frage nach ihrer eigenen Ausrichtung gestellt – und diese Gemengelage könnte gravierende Folgen für die DTM haben. Nach der Rückkehr von BMW 2012 jedenfalls hatten sich die Verantwortlichen auf den Grundsatz verständigt, dass die Serie mindestens drei konkurrierende Hersteller benötigt. Gravierend ist der Rückzug von Mercedes auch für die Partnerschaft mit der ARD: Der TV-Vertrag des Senders mit der DTM läuft zum Jahresende aus, die Quoten überspringen auch jetzt nur selten die Eine-Million-Marke.
Die ITR übte sich gestern in Zweckoptimismus und setzt auf den Faktor Zeit. „Wir müssen die Entscheidung sportlich fair respektieren“, teilte die Organisation mit: „Die DTM ist eine der bedeutendsten Tourenwagen-Serien der Welt. Mercedes hat den Ausstieg mit weitem Vorlauf angekündigt. Damit bleibt der ITR Zeit, die Situation zu analysieren und ein tragfähiges Konzept für die Zukunft aufzusetzen.“ Dass ein alternativer Hersteller auch nur annähernd die Kragenweite von Edel-Autobauer Mercedes-Benz haben würde, ist allerdings nahezu ausgeschlossen. Eine lange angedachte Kooperation mit der japanischen Super GT-Serie könnte zumindest ein Kompromiss sein. Ob dieser die DTM, die 2000 nach vierjährigem Aus eine Renaissance erlebt hatte, retten kann, darf angezweifelt werden.
„Überrascht“ zeigte sich Ralf Schumacher über die Begründung des Schrittes durch Mercedes, da er die DTM nach wie vor als Nummer zwei im Motorsport sieht. Durch die strategische Neuausrichtung will der Autobauer seine Position im Bereich Elektromobilität stärken. Auch Audi (ab der Saison 2017) und BMW (ab 2018) engagieren sich zukünftig in der Formel E. Durch diese Ballung an großen Marken ist eine Öffentlichkeit quasi garantiert. Wenn auch noch Piloten mit großen Namen ins Cockpit steigen, könnten die Formel-E-Rennen in Weltmetropolen wie Berlin, New York oder Paris eine ganz andere Aufmerksamkeit erfahren – zum Nachteil der DTM.