Das Ende der deutschen Vorherrschaft

München · Erst zum zweiten Mal in der Geschichte steht kein deutscher Frauen-Verein im Champions-League-Halbfinale.

Uli Hoeneß hatte den Mund zu voll genommen. "Es trifft absolute europäische Spitzenklasse aufeinander", hatte der Präsident des FC Bayern München vor dem Viertelfinalduell des deutschen Frauen-Meisters mit Paris St. Germain getönt. Das bittere Aus der Bayern-Kickerinnen durch die 0:4-Pleite im Rückspiel führte Hoeneß am späten Mittwochabend im Pariser Prinzenpark auf dramatische Weise vor Augen, was Trainer Thomas Wörle danach aussprach: "Wir sind gegen einen übermächtigen Gegner ausgeschieden, der finanziell und sportlich in einer ganz anderen Liga spielt als wir. Mit den Möglichkeiten, die wir aktuell haben, können wir mit den Besten in Europa nicht mithalten. Das ist nach diesem Spiel wohl jedem klar geworden." Und das sagt der Verantwortliche des deutschen Meisters.

Weil auch der VfL Wolfsburg im zweiten deutsch-französischen Duell an Titelverteidiger Olympique Lyon mit den beiden ehemaligen Saarbrückerinnen Dzsenifer Marozsan und Josephine Henning scheiterte, endete eine Erfolgsserie: Erstmals seit zehn Jahren und überhaupt erst zum zweiten Mal in der Geschichte ist kein Bundesligist mehr im Halbfinale dabei. Seit der Premiere in der Saison 2001/2002 - damals noch unter dem Namen Women's Uefa-Cup - haben deutsche Teams immerhin neun Mal den Pott geholt.

Für Heike Ullrich, DFB-Direktorin Frauen- und Mädchenfußball, ist das frühe Scheitern jedoch kein Indiz für ein Ende der deutschen Vorherrschaft im europäischen Fußball. Um die Situation seriös zu bewerten, müsse die Gesamtsituation im Vergleich betrachtet werden: "Wir haben eine ausgeglichene Liga, in der auch Spitzenteams von Mannschaften der hinteren Tabellenplätze geschlagen werden können. Das ist eine enorm starke Basis", sagte Ullrich gestern. "In Frankreich gibt es dagegen im Grunde nur zwei Teams - Paris und Lyon - mit einem sehr hohem Etat und jeweils sehr starken Spielerinnen", betonte die DFB-Direktorin. Die aber haben eine Qualität, um auch die Bundesliga zu beherrschen.

Das bekamen vor allem die Bayern zu spüren. "Wir haben gegen eine unglaublich starke Mannschaft gespielt und unsere Grenzen erkennen müssen. Dieses Niveau ist für uns zu hoch", räumte Wörle ein: "Wir müssen viel tun, viel arbeiten, es muss sich noch viel verändern bei uns im Verein." Trauriger Nebenaspekt: Nationalspielerin Lena Lotzen, gerade zurück nach zweijähriger Pause, schied nur zehn Minuten nach ihrer Einwechslung mit einer neuerlichen Knieverletzung aus.

Tief enttäuscht traten die Wolfsburgerinnen nach dem 1:0 in Lyon, durch das die 0:2-Hinspielniederlage nicht mehr korrigiert werden konnte, die Heimreise an. "Wenn man beide Spiele nimmt und die kompletten 180 Minuten betrachtet, waren wir die bessere Mannschaft. Wie im Hinspiel hätten wir das eine oder andere Tor mehr schießen müssen", sagte Trainer Ralf Kellermann: "Ich bin sehr, sehr stolz darauf, wie wir uns hier präsentiert haben."

Der Auftritt machte auch Ullrich Mut, dass der deutsche Frauen-Fußball konkurrenzfähig bleiben wird. "Wir haben und brauchen auch in Zukunft eine attraktive und sportlich ausgeglichene Bundesliga mit einer stabilen Basis. Auf dieser breiten Grundlage kann Deutschland weiter die Nummer eins bleiben", sagte die DFB-Direktorin. Doch auch sie weiß: "Wir müssen allerdings starkes Engagement zeigen, um diese breite Basis künftig zu halten."

Ein Schlüssel zu mehr Professionalität im Frauenfußball und der Ausgeglichenheit an der Spitze soll die eingleisige 2. Bundesliga sein. Mit ihr soll die riesige Lücke - sportlich wie finanziell - zur 1. Liga verkleinert werden. Die kommende Saison wird zur Qualifikations-Runde, in die auch der 1. FC Saarbrücken in der Südstaffel involviert ist. Doch der Abstand vom FCS zu den Spitzenteams der Bundesliga ist gewaltig. Und wenn diese, etwa der FC Bayern, im internationalen Vergleich noch zulegen wollen und müssen, dürfte der Wunsch nach einer ausgeglichen Bundesliga, in der Teams wie der SC Sand sich behaupten wollen, kaum zu halten sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort