Das Dilemma des Handballs

Hamburg. Das Wintermärchen, sagt Heiner Brand, strahlt immer noch hell. Der Triumph bei der Weltmeisterschaft 2007 im eigenen Land, so der Ex-Bundestrainer, habe die Aufmerksamkeit für den Handball enorm gesteigert, auch nachhaltig

Hamburg. Das Wintermärchen, sagt Heiner Brand, strahlt immer noch hell. Der Triumph bei der Weltmeisterschaft 2007 im eigenen Land, so der Ex-Bundestrainer, habe die Aufmerksamkeit für den Handball enorm gesteigert, auch nachhaltig. Sein Stellenwert in der Öffentlichkeit resultiere bis heute aus dem damaligen 29:24-Erfolg im Finale gegen Polen, das mehr als 20 Millionen Zuschauer an den Fernsehgeräten verfolgt hatten. "Und der Stellenwert der Spieler, die damals mitgewirkt haben, ist ebenfalls unverändert hoch", sagt Brand, der heute als Manager des Deutschen Handball-Bundes (DHB) wirkt.

Brand lobt Nachwuchsarbeit

Sind also diejenigen nur Schwarzseher, die dem deutschen Handball einen Niedergang prophezeien und die auch der Nationalmannschaft für die anstehende Europameisterschaft in Serbien (15. bis 29. Januar) keine bessere Platzierung als bei der EM 2010 in Österreich (10. Platz) und bei der WM 2011 in Schweden (11. Platz) zutrauen? Der Provokateur Bob Hanning, Manager des Bundesligisten Füchse Berlin, hat sich gar ein schnelles Ausscheiden in Serbien gewünscht, damit der Umbruch noch radikaler ausfalle. Dann wäre der deutsche Handball beim Olympischen Turnier 2012 in London nicht vertreten.

Die Realität ist, wie so oft, nicht in schwarzen oder weißen Farben zu malen, sondern ist komplizierter. Einige Dinge im deutschen Handball sind vielversprechend, daraufhin verweist Brand. "Ein sehr gutes Indiz, dass nicht alles falsch läuft, ist unsere Nachwuchsarbeit", sagt der Gummersbacher: "Rund 44 Prozent aller DHB-Mitglieder sind Kinder und Jugendliche, das ist eine sehr gute Zahl angesichts der Konkurrenz, die unter den Sportarten herrscht."

Über viele Dinge im Handball aber wird von jeher heftig gestritten. So zum Beispiel über die hohe Taktung der großen Meisterschaften. In dem vierjährigen olympischen Zyklus müssen die besten Profis je zwei Europameisterschaften und Weltmeisterschaften austragen, dazu das olympische Turnier. "Es ist völlig grotesk, dass jahrein jahraus Endrunden gespielt werden", kritisiert Jesper Nielsen, der Besitzer des dänischen Spitzenvereins AG Kopenhagen. Ein Profi wie der dänische Star Mikkel Hansen bekomme erst in zwei Jahren Urlaub. "Ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hat", sagt Nielsen, "sicher keine Leute, die selbst Handball gespielt haben".

Auch Experten wie Frank von Behren wissen, dass diese Turnier-Inflation abträglich ist. Große Mannschaften wie Frankreich würden die anstehende EM nur als Vorbereitung für Olympia nehmen, sagt er, "im olympischen Jahr interessiert die Franzosen eine EM wenig". Andererseits schauen dann die meisten Fans zu: "Die höchste Aufmerksamkeit im Fernsehen bekommen die Nationalmannschaften." Die Clubs in der deutschen Bundesliga seien fast ausnahmslos regionale Marken. Einzige Ausnahme sei hier der Rekordmeister THW Kiel.

Von Behren beobachtet die Szene intensiv, und er vermisst einen Plan, ein gemeinsames Agieren aller Akteure im deutschen und internationalen Handball: "Keiner weiß, wo es hingehen soll." Und er glaubt auch, dass das Wachstum der Bundesliga endlich ist.

Boykott im Europapokal?

Ein Mittel, um den Club-Handball besser zu vermarkten, sieht die Handball-Bundesliga (HBL) in der Synchronisierung des Terminkalenders. "Es ist doch für niemand zu verstehen, dass am Sonntag im Fernsehen zeitgleich Partien aus der Champions League und aus der Bundesliga zu sehen sind", sagt HBL-Präsident Reiner Witte. Die Liga unternimmt nun einen Versuch, die Europäische Handball-Föderation zu zwingen, die Europapokal-Spiele unter der Woche austragen zu lassen. Notfalls müsse die deutsche Liga die europäischen Wettbewerbe boykottieren.

Wer der Gute ist und wer der Böse, das ist oft nicht auszumachen in diesen vielen Handball-Debatten. Das ist anders als in dem Märchen, das die WM 2007 für den deutschen Handball darstellte. "Es ist völlig grotesk, dass jahrein jahraus Endrunden gespielt werden."

Jesper Nielsen,

Besitzer des Clubs AG Kopenhagen

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