Das Bollwerk bröckelt

London. Das Londoner Wetter passte zur Stimmung. Als Timo Boll am Morgen nach seinem überraschenden Olympia-Aus aus dem Fenster blickte, zogen dunkle Regenwolken über ihn hinweg. Die Nacht war kurz, der Tag danach fühlte sich grau an. Trost und Ablenkung standen auf dem Programm

 Der Blick geht nach unten. Wie schon vor vier Jahren in Peking schied Timo Boll am Montagabend im Achtelfinale des olympischen Einzel-Wettbewerbs aus. Foto: Thissen/dpa

Der Blick geht nach unten. Wie schon vor vier Jahren in Peking schied Timo Boll am Montagabend im Achtelfinale des olympischen Einzel-Wettbewerbs aus. Foto: Thissen/dpa

London. Das Londoner Wetter passte zur Stimmung. Als Timo Boll am Morgen nach seinem überraschenden Olympia-Aus aus dem Fenster blickte, zogen dunkle Regenwolken über ihn hinweg. Die Nacht war kurz, der Tag danach fühlte sich grau an. Trost und Ablenkung standen auf dem Programm. Mit Ehefrau Rodelia traf er sich in der Stadt, schaute bei ein paar anderen Sportarten vorbei und drückte am Abend Dimitrij Ovtcharov im Viertelfinale die Daumen.Den Kopf sollte er freibekommen, hatte ihm Bundestrainer Jörg Roßkopf mit auf den Weg gegeben. "Ich würde am liebsten losheulen", hatte Boll unmittelbar nach dem 1:4 am Montagabend gegen den Rumänen Adrian Crisan geklagt. "Ich habe jetzt ein, zwei, drei Tage Zeit zum Jammern und zum Selbstmitleid", sagte Boll, der seine große Karriere wohl nicht mehr mit einer olympischen Einzel-Medaille krönen wird. Zerbrechen wird er daran nicht: "Ich mache nicht alles an einer Medaille fest. Es ist jetzt nicht auf einmal alles schlecht."

Doch zumindest ein großer Traum ist zerplatzt. Noch nie ging der oft von Verletzungen zurückgeworfene Boll so fit ins Turnier, noch nie war die Chance auf eine Medaille so groß. Nur zwei Chinesen waren im Turnier, und Boll erwischte in der Auslosung die Hälfte mit dem schwächer einzuschätzenden Wang Hao. Doch bis zu diesem Duell kam es gar nicht. Gegen Adrian Crisan war im Achtelfinale Endstation.

Mal wieder. Denn mit olympischen Turnieren steht Boll auf Kriegsfuß. Noch nie hatte er es über das Viertelfinale hinaus geschafft. "Ich bin irgendwie verkrampft. Das ist bei mir eben Olympia. Das ist irgendwie ein anderer Sport. Ich habe es nicht gebacken bekommen", sagte der WM-Dritte. Auch in Peking 2008 war Boll im Achtelfinale gescheitert. "Doch da hatte ich das Silber aus dem Mannschafts-Wettbewerb, und nach drei, vier Stunden ging es mir wieder gut. Das jetzt fühlt sich richtig schlecht an." An ein mentales Problem glaubt Boll nicht. Es widerspräche dem, was er in seiner Laufbahn erreicht hat. "Ich weiß nicht, ob man sagen kann, ich muss jetzt zum Psychologen gehen", sagte der Rekord-Europameister - und erklärte die Pleite so: "Ich habe nicht den Weg gefunden, über mich hinauszuwachsen."

Bis zu dem am Samstag beginnenden Mannschafts-Wettbewerb muss sich Boll aus seinem Loch kämpfen und die Motivation wiederfinden. Heute steigt er wieder ins Training ein und bereitet sich auf das Spiel gegen Schweden vor. Bundestrainer Roßkopf ist optimistisch, dass er die Pleite bis dahin verarbeitet hat: "Timo weiß, dass er ein wichtiger Faktor für die Mannschaft ist. Die Niederlage war bitter und nicht eingeplant, aber Timo grämt sich normalerweise nicht lange." dapd

Am Rande

Der deutsche Tischtennis-Spieler Dimitrij Ovtcharov vom russischen Club Fakel Orenburg steht im Halbfinale. Er besiegte im Viertelfinale gestern am späten Abend den Dänen Michael Maze 4:3 (11:8, 12:10, 1:11, 9:11, 9:11, 11:6, 11:9).

Jiao Li von Bundesligist TTSV Fraulautern verlor im Viertelfinale gegen Li Xiaoxia aus China 0:4 (5:11, 9:11, 9:11, 7:11). Ihre niederländische Landsfrau und TTSV-Mannschaftskollegin Jie Li unterlag am Montag im Achtelfinale der Japanerin Ai Fukuhara 3:4 (4:11, 11:8, 11:8, 11:6, 5:11, 8:11, 8:11). Im Finale trifft Xiaoxia auf ihre Landsfrau Ding Ning. red

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