Das bisher umstrittenste Gold

Sotschi · Katarina Witt war fassungslos nach der Goldmedaille für die Russin Adelina Sotnikowa. Sie hatte Vancouver-Olympiasiegerin Kim Yu-Na vorn gesehen und fordert wie viele mehr Transparenz bei der Wertung der Jury.

Das umstrittene Eiskunstlauf-Gold der 17 Jahre alten Russin Adelina Sotnikowa in Sotschi hat weltweit für große Empörung gesorgt. Die zweimalige Olympiasiegerin Katarina Witt forderte wie viele Experten, die Anonymität der Jury aufzuheben. "Ich war komplett fassungslos und sauer auf unseren Sport. Da muss man sich nicht wundern, wenn sich die Leute abdrehen", sagte die viermalige Weltmeisterin am Freitag in Sotschi. Witt hatte die Olympia-Zweite Kim Yu-Na aus Südkorea vorn gesehen, auch die Dritte Carolina Kostner aus Italien sei zu schlecht weggekommen.

Der ehemalige Eiskunstläufer und ZDF-Moderator Rudi Cerne sprach von einem Fehlurteil: "Das hat für mich ein Geschmäckle." Die französische Sportzeitung "L'équipe" titelte "Skandal - die Punktrichter haben Russland das erste Einzelgold geschenkt, aber Adelina Sotnikowa hat es nicht verdient." Das südkoreanische Blatt "Korea Times" fragte in der Freitagsausgabe polemisch "Skandal oder Eislauf?".

Ganz anders reagierte Wladimir Putin. Der Präsident des Gastgeberlandes der Winterspiele gratulierte Sotnikowa in pathetischen Worten: "Ganz Russland ist stolz auf dich." Sie habe bewiesen, welche Qualität das russische Eiskunstlauf-Team in den vergangenen Jahren erreicht habe. Viele Kritiker mutmaßen, dass dieser Triumph die Enttäuschung nach dem Aus der Eishockey-Spieler übertünchen soll.

Ein Einspruch gegen das Urteil ist nicht möglich. "Die Wertung ist unantastbar, sie ist wie eine Tatsachenentscheidung nicht anfechtbar", sagte Peter Krick, Eventmanager der Internationalen Eislauf-Union (ISU). Nach Olympia wird sich die ISU bei ihrem Kongress im Juni in Irland dem Thema Anonymität der Jury annehmen müssen. Wie von Witt gefordert und vom deutschen Verband befürwortet, stellte der amerikanische Eiskunstlauf-Verband schon vor vier Wochen den Antrag, wieder Nationalitäten und Bewertungen der Juroren offen zu legen. "Das wäre eine Katastrophe für unsere Sportart. Wir wollen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen", sagte dagegen Krick.

Im nach dem Paarlauf-Skandal von Salt Lake City 2002 veränderten Benotungssystem wollte man die Juroren vor dem Druck der eigenen Länder schützen. Verbände können derzeit nicht einsehen, wie ein Preisrichter aus ihrem Land gewertet hat. Eine mögliche Veränderung könnte der Verzicht auf Verbandsfunktionäre und deren Verwandte im Preisgericht sein. "Funktionäre sind immer befangen", sagte Krick.

So saß die Ehefrau des Generaldirektors des russischen Eiskunstlauf-Verbandes, Alla Schechowtsewa, in der Jury. Kritisch beäugt wurde auch, dass der Ukrainer Juri Balkow, der wegen versuchter Absprachen bei den Winterspielen 1998 in Nagano für ein Jahr gesperrt war, wieder dabei war.

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