Das Beste kommt zum Schluss

Halle. Als er am Samstagabend bei der Gerry-Weber-Open-Modenacht neben dem Schweizer Maestro auf der Bühne stand, für eine kurze Talkshow-Plauderei, sagte Tommy Haas, sein Freund Roger Federer sei auch für ihn "eine echte Lichtgestalt des Tennis und des ganzen Sports". Doch als Haas tags darauf, um 14

Halle. Als er am Samstagabend bei der Gerry-Weber-Open-Modenacht neben dem Schweizer Maestro auf der Bühne stand, für eine kurze Talkshow-Plauderei, sagte Tommy Haas, sein Freund Roger Federer sei auch für ihn "eine echte Lichtgestalt des Tennis und des ganzen Sports". Doch als Haas tags darauf, um 14.54 Uhr, in den strahlend blauen Himmel über Halle blickte und ungläubig den Kopf schüttelte, da hatte er dem erfolgreichsten Tennisspieler der Gegenwart den Schalter ausgeknipst - und gleichzeitig den größten deutschen Tennis-Moment des letzten Jahrzehnts auf den Centre Court in Ostwestfalen gezaubert.

Federers Siegesserie gerissen

"Ich kann es kaum fassen. Das ist unwirklich - wie in einem Film. Es ist, ganz sicher, einer der schönsten Siege in meiner Karriere", sagte der 34-Jährige nach seinem 7:6 (7:5), 6:4-Sieg gegen Federer in einer hollywoodreifen Inszenierung - mit ihm in der anrührenden Hauptrolle des ewigen Rückkehrers aus Verletzungselend.

Nach einer fast beispiellosen Leidensgeschichte im Tourbetrieb der Tennisprofis - nach fünf Operationen an Schulter und Hüfte und nach immer neuen, stets unverdrossenen Rückkehr-Missionen - stand er tatsächlich an diesem 17. Juni 2012 noch einmal im Mittelpunkt des ganzen Wanderzirkus, dieser oft so unglückliche, so frustrierte Tommy Haas, der auf seine alten Tage das Publikum wie nie zuvor in seiner wechselvollen Karriere begeistert und emotional mitreißt.

"Ich hätte selbst gerne hier gewonnen", sagte der unterlegene Federer: "Aber ich gönne keinem Spieler einen Titel so wie Tommy. Er hatte das größte Pech aller Spieler dieser und der letzten Generation." Seine erste Niederlage gegen Haas seit über zehn Jahren (Australian Open 2002) beendete im übrigen auch eine lange Erfolgsserie des Schweizers gegen deutsche Profis: Die letzten 49 Duelle gegen deutsche Rivalen hatte er ausnahmslos gewonnen. So nahm er zwar dankbar die Umbenennung einer Straße in Stadionnähe entgegen, die fortan Roger-Federer-Allee heißen wird, musste aber den Pokal im "Klein-Wimbledon" dem Lokalmatador Haas überlassen.

Der hatte schon in dieser ganzen Tenniswoche von Halle für Sensationen am laufenden Band gesorgt und seine Klasse gezeigt: im Viertelfinale gegen den Wimbledon-Mitfavoriten Tomas Berdych, dann in der Vorschlussrunde gegen Titelverteidiger Philipp Kohlschreiber. Und nun eben auch gegen den für unschlagbar gehaltenen Federer. "Was Tommy hier mit seinen 34 Jahren hinlegt, das ist schlicht fantastisch", sagte Turnierdirektor Gerhard Weber, der wie 12 000 Zuschauer auch am Finaltag einen wie entfesselten Haas erlebte - ohne jede Angst vor dem langjährigen Spielverderber Federer.

Zu Tränen gerührt

Haas hatte eigentlich nur eine schwache Phase, doch die zum Glück gleich zum Auftakt, als er seinen Aufschlag zum 0:1 verlor. Doch alles, was sonst Tennisstar Federer auszeichnet, war an diesem Tag seines 13. Titelgewinns bei Haas zu beobachten: Die aggressive, zupackende Attitüde bei den "Big Points", der Mut, selbst auf die Entscheidung zu drängen - und nicht auf Fehler des Gegenübers zu warten. Haas nahm einfach sein Herz in die Hand und landete Volltreffer um Volltreffer.

Fassen konnten sie es danach alle nicht so ganz. Nicht Haas, der zum zweiten Mal nach 2009 den Siegerpokal in Halle in die Höhe stemmte. Und auch nicht seine zu Tränen gerührten Eltern sowie Schwiegervater David Foster, der berühmte Musikproduzent, der auf dem Weg von Los Angeles nach Italien Station in Deutschland gemacht hatte. "Welch eine Klassegeschichte, welch ein Sieg gegen Roger Federer", sagte Foster übermannt von seinen Emotionen: "Ich bin so glücklich."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort