Saarländische Kandidaten Alles ist auf Tokio ausgerichtet

Saarbrücken · In 20 Monaten beginnen die Olympischen Sommerspiele in Japan. Die SZ gibt einen Überblick über die saarländischen Kandidaten.

 Die deutschen Volleyballer um den Lebacher Moritz Reichert (Zweiter von rechts) werden es in der Qualifikation für Tokio schwer haben.

Die deutschen Volleyballer um den Lebacher Moritz Reichert (Zweiter von rechts) werden es in der Qualifikation für Tokio schwer haben.

Foto: dpa/Soeren Stache

Der 24. Juli 2020, er bestimmt die Gedanken nahezu aller Topsportler im Saarland, vermutlich auf der ganzen Welt. An diesem Freitag beginnen in Tokio die Olympischen Sommerspiele, das ultimative Ziel jedes Leistungssportlers. Die ersten zwei Jahre nach den Spielen in Rio de Janeiro sind wie im Flug vergangen, in einigen Sportarten sind bereits die Qualifikationen Richtung Tokio 2020 gestartet. Die Sportedaktion der Saarbrücker Zeitung gibt zur Halbzeit der Olympiade (Zeitraum zwischen zwei Olympischen Spielen) einen Überblick, wer aus dem Saarland auf Olympia-Kurs liegt und wo die Aussichten eher düster sind. Heute: Teil 1 mit Badminton, Ringen, Triathlon, Schwimmen, Tischtennis und Volleyball.

BADMINTON

Die deutsche Badminton-Nationalmannschaft, die ihren Doppel- und Mixed-Stützpunkt in Saarbrücken hat (Einzel in Mülheim an der Ruhr), ist auf einem guten Weg, den Generationenwechsel erfolgreich zu bewältigen. Seit den Spielen 2016 in Rio haben Arrivierte wie Marc Zwiebler, Michael Fuchs, Johannes Schöttler oder Birgit Overzier ihre internationalen Karrieren beendet. Doch die Jüngeren scheinen perspektivisch an deren Erfolge anknüpfen zu können. Eines der Aushängeschilder ist Marvin Seidel. Der 22-Jährige, der beim KV St. Ingbert das schnelle Spiel mit dem Federball erlernt hat, zählt mittlerweile im Herrendoppel an der Seite von Mark Lamsfuß (BC Wipperfeld) und im Mixed mit Linda Efler (Union Lüdinghausen) konstant zu den besten 25 der Weltrangliste und darf sich in beiden Disziplinen Hoffnungen auf die Olympiaqualifikation machen.

Isabel Herttrich, die wie Seidel in der Bundesliga für den 1. BC Bischmisheim aufschlägt, stand mit Mixedpartner Lamsfuß jüngst sogar auf Platz zehn der Weltrangliste. Nach dem plötzlichen internationalen Karriere-Ende ihrer Doppelpartnerin Carla Nelte (TV Refrath) geht die in der Nähe von Nürnberg geborene Herttrich nun mit Linda Efler die Damendoppel-Quali an. Ein Fragezeichen steht hinter Fabian Roth vom BCB. Wenn er fit ist, ist der gebürtige Karlsruher zweifelsohne ein Olympiakandidat. Der 22-Jährige schlug sich aber in der vergangenen Saison permanent mit Rückenproblemen herum, konnte für den BCB lediglich ein einziges Mal in der Bundesliga aufschlagen. Später riss ihm gar der Meniskus im rechten Knie. Aktueller Stand der Dinge: Roth befindet sich nach überstandener Reha im Aufbautraining, Anfang 2019 will Roth wieder in der Bundesliga und bei Turnieren zum Schläger greifen.

Entwicklungspotenzial hat Luise Heim vom BCB im Dameneinzel, die 22-Jährige aus Bad Dürkheim ist allerdings noch ein gutes Stück von den Plätzen entfernt, die zur Olympia-Teilnahme berechtigen. Stichtag für die Olympia-Qualifikation ist die Weltrangliste vom 30. April 2020 – sprich: alle Ergebnisse ab dem 1. Mai 2019 sind relevant. Grundsätzlich berechtigt Platz 16 aufwärts in der Weltrangliste zur Olympia-Teilnahme.

RINGEN

Ein saarländischer Ringer bei den Olympischen Spielen – das gab es schon lange nicht mehr. Der letzte, der das schaffte, war Konstantin „Kosta“ Schneider. Der gebürtige Kirgise, der in jungen Jahren nach St. Ingbert ins Saarland übergesiedelt war, führte lange den KSV Köllerbach als Kapitän an und verkörperte absolute Weltklasse im griechisch-römischen Stil. 2008 in Peking wurde der zweifache Vize-Weltmeister Neunter. Seitdem hat es kein Saar-Ringer mehr zu Olympia geschafft – weder Jan Fischer noch Andriy Shyyka noch Timo Badusch. Und die Qualifikation wird von Olympiade zu Olympiade schwerer, weil vor allem Athleten aus der ehemaligen Sowjetunion nun unter eigener Landesflagge antreten und die wenigen Startplätze unter sich ausmachen.

Etienne Kinsinger vom KSV Köllerbach (60 Kilogramm, griechisch-römischer Stil) dürfte es aus saarländischer Sicht am ehesten zuzutrauen zu sein, ernsthaft im Kampf um ein Olympiaticket mitmischen zu können. Bei den jüngst zu Ende gegangenen Weltmeisterschaften im ungarischen Budapest deutete er mit Platz acht an, dass mit ihm international zu rechnen ist. Gena Cudinovic, Freistilringer der Klasse bis 97 Kilogramm, muss erst einmal in Deutschland die Konkurrenz in Schach halten. Auf verschiedenen Turnieren gibt es in 2019 Quotenplätze zu ergattern – so etwa bei der WM. Sollte sich Kinsinger beispielsweise unter den besten Sechs der WM platzieren, hätte er einen deutschen Startplatz gesichert.

TRIATHLON

Die immer noch junge olympische Sportart Triathlon, die 2000 in Sydney ihre Premiere feierte, hat nach langen Jahren großer Erfolge derzeit eine kleine Durststrecke zu überwinden. Die Arbeit am Olympiastützpunkt in Saarbrücken hat für die Deutsche Triathlon-Union nach den enttäuschenden Spielen 2016 in Rio wieder bei null begonnen. Die Männer waren in Brasilien gar nicht vertreten, bei den Frauen schnitten Anne Haug, mittlerweile auf die Langdistanz gewechselt, und Laura Lindemann (Potsdam) als 36. und 28. eher mäßig ab. Top-Talent Lindemann hat sich mittlerweile in der erweiterten Weltspitze etabliert, die 22-Jährige trainiert aber nicht in Saarbrücken, sondern am OSP Brandenburg in Potsdam.

Im Saarbrücker Stadtwald gehört Justus Nieschlag zu den potenziellen Tokio-Fahrern. Der 27-Jährige hat eine Seuchensaison mit Achillessehnenproblemen hinter sich, ist aber wieder auf dem Damm und feierte mit Platz zwei beim Europacup-Finale Ende Oktober im portugiesischen Funchal einen versöhnlichen Saisonabschluss. Olympia-Hoffnungen in Saarbrücken hegen auch Valentin Werns, Jonas Breinlinger, Lasse Priester, Jannik Schaufler und Tim Hellwig.

Die Kriterien für die Olympia-Qualifikation stehen noch nicht fest. Realistisch möglich sind je zwei Startplätze bei Frauen und Männern. In Tokio feiert übrigens die Triathlon-Mixedstaffel olympische Premiere. Zehn Teams dürfen starten, Deutschland belegt derzeit Platz neun in der Weltrangliste.

SCHWIMMEN

Christoph Fildebrandt und Andreas Waschburger – diese beiden halten die Fahne des saarländischen Schwimmsports in Saarbrücken hoch. Der Weggang von Hannes Vitense, dem ehemaligen Landestrainer des Saarländischen Schwimmbundes (SSB), war ein Schlag ins Kontor des Olympiastützpunktes, nahm Vitense doch mit Annika Bruhn, Celine Rieder oder Henning Mühlleitner potenzielle Olympia-Kandidaten mit nach Neckarsulm. Freistil-Spezialist Fildebrandt ackert weiter in der Albert-Wagner-Schwimmhalle an der Saarbrücker Sportschule, ist zumindest ein Kandidat für eine der Staffeln. Am 28. Februar 2019 wird der Schwimm-Weltverband Fina die Qualifikations-Wettbewerbe und –Zeiten für Tokio veröffentlichen – spätestens dann weiß „Filde“, was er bringen muss.

Freiwasser-Schwimmer Waschburger, der Olympia-Achte von 2012 in London, kennt die Quali-Bedingungen bereits, unter denen er sich einen der 25 Plätze in Tokio ergattern kann. In den beiden Weltcuprennen in Abu Dhabi (November 2018) und Doha (vermutlich März 2019) muss „Waschi“ in der Addition zu den zwei besten Deutschen gehören, um bei der WM Mitte Juli 2019 im südkoreanischen Gwanju starten zu dürfen. Mit Platz sechs in Abu Dhabi als zweitbester Deutscher (Sieger war der Deutsche Florian Wellbrock) hat Waschburger schon einmal den Grundstein für die WM-Quali gelegt. Kommt er dann dort unter die besten Zehn, ist das Ticket gelöst. Schafft dort kein Deutscher die Quali, gibt es in 2020 einen weiteren Wettkampf, der noch nicht terminiert ist.

TISCHTENNIS

Die letzte Olympia-Medaille für den Olympiastützpunkt in Saarbrücken gab es im Tischtennis. 2012 in London war das, als Bastian Steger, damals in der Bundesliga für den 1. FC Saarbrücken aktiv, an der Seite von Rekord-Europameister Timo Boll und Dimitrij Ovchtarov den dritten Platz im Mannschafts-Wettbewerb belegte. Dank Boll und Ovtcharov, die konstant unter den besten Zehn der Welt zu finden sind, gehört die deutsche Mannschaft auch in Tokio zu den Favoriten auf Edelmetall. Und der Dritte im Bunde könnte wieder ein Spieler des FCS sein – Patrick Franziska. Seit 2016 schlägt er für den FCS TT auf – und hat sich enorm entwickelt. An seinem Status als Nummer drei in Deutschland ist derzeit nicht zu rütteln. Mittlerweile kratzt „Kaiser Franz“ sogar an der Tür zu den Top Zehn der Welt, brachte in der vergangenen Woche bei den Austrian Open sogar Boll in die Bredouille und hatte gegen den Rekord-Europameister zwei Matchbälle. Bleiben alle drei gesund, könnte sich die Strategie der Verantwortlichem beim Landessportverband für das Saarland (LSVS), Franziska für nicht wenig Geld ins Saarland zu holen, auszahlen. Eine Medaille in Tokio ist durchaus realistisch.

VOLLEYBALL

Moritz Reichert gehört seit geraumer Zeit zum Stammaufgebot der deutschen Nationalmannschaft. Nach einem Ausflug nach Frankreich zu Tours VB, mit denen er den Meistertitel gewann, schlägt der Lebacher wieder in der deutschen Bundesliga auf – für die Recycling Volleys aus Berlin. Ob es der 23-Jährige nach Tokio schafft, wird sich in schweren Qualifikationsturnieren im Januar und Dezember 2019 und im Januar 2020 zeigen. Beim Turnier im Januar spielen zwölf Länder drei Olympiastartplätze aus. Teilnehmen darf der noch nicht bestimmte Gastgeber des Turniers, der amtierende Weltmeister sowie die jeweils zwei Besten der fünf Kontinente. Das dürfte Deutschland kaum schaffen – Reichert und Co. müssen wohl auf die Turniere Ende 2019/Anfang 2020 hoffen.

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