Man kann es sich lebhaft vorstellen, wie die Menschen früher in die evangelische Kirche in Kleinblittersdorf geströmt sind. Die bunten Fenster im oberen Bereich des Kirchenschiffs brechen das Licht, tauchen den Raum in helle, bunte Farben. Die Kirche versprüht Hoffnung, innere Ausgeglichenheit, strahlt Ruhe aus und macht Mut. Seit Donnerstagabend ist das Gebäude, das seit 2012 zum Verkauf stand, das neue Trainingszentrum von Profiboxer Jürgen Doberstein. Der Supermittelgewichtler, der am 22. November in der Saarlandhalle um den Mediteranean-Titel der International Boxing Federation (IBF) kämpft, hat die Kirche mit seiner Familie gekauft. Zu Details wie dem Kaufpreis will er sich aber nicht äußern.

Stattdessen haucht Doberstein mit lauter Rocky-Musik dem Gotteshaus bei der Eröffnung ein anderes, ein neues Leben ein. Ein Leben, wie es der Raum über zwei Jahre nicht gesehen hat. Unzählige Handykameras, die Blitzlichter der Fotografen und die vielen Gäste verbreiten reges Treiben. Der Moderator stellt den Gästen die Boxer Yakup Saglam und Dennis Ronert vor, die ebenfalls am 22. November in der Saarlandhalle im Ring stehen werden. Sie machen leichtes Sparring im Box-Ring, der mitten in der ehemaligen Kirche steht. Der Altar ist weg. Nur die bunten Oberlichter und ein kleines altes Bild der Kirche erinnern noch an vergangene Zeiten.

"Das ist etwas ganz Besonderes. Ich bin jetzt hier zuhause", sagt Doberstein. Wie immer lächelt er, gibt sich zuversichtlich, zeigt keinen Angriffspunkt geschweige denn den Anflug einer Schwäche. Nichts dergleichen. "Ich kann mein Bett in den Ring stellen, hier schlafen und nach dem Aufwachen direkt loslegen", sagt er und lacht. Trainiert hat er hier kurz zuvor das erste Mal. Trotzdem fühlt er sich heimisch.

Vorbereitet auf seinen großen Kampf hatte er sich in den vergangenen Wochen bei Trainer-Urgestein Manfred Wolke in Frankfurt an der Oder. "Die Zeit mit Wolke, das neue Trainingszentrum - ich realisiere das alles noch gar nicht. Das wird erst nach dem Kampf kommen", sagt Doberstein, "bis dahin gibt es nur dieses eine Ziel". Diesen einen Kampf.

Dabei wirkt Doberstein eine Woche vor dem großen Tag angespannt. "Das ist normal", sagt der 25-Jährige: "Ich bin Profi und lasse mich von nichts mehr ablenken." Je näher der Kampf rückt, desto enger werde der Tunnel. Die neue Trainingsstätte, die wie für ihn gemacht ist, versucht er auszublenden. "Das ist schon eine sehr gute Umgebung, um ganz nach oben zu kommen", sagt er. Echte Zufriedenheit wird er aber erst ausstrahlen, wenn er seine Ziele wirklich erreicht hat.

"Alles ist momentan perfekt", sagt Doberstein, "jetzt muss ich nur noch meine Leistung bringen". Jetzt liegt es nur noch an ihm. Doch gerade weil alles so perfekt scheint, wächst auch in ihm der Druck. Erfolgsdruck und Ängste. "Jeder hat Druck oder Angst", sagt er, "vor allem wenn das Training mal nicht so gut läuft. Aber gesunde Angst bringt dich weiter." Sie wecke den Erhaltungstrieb und bringe einen zum Nachdenken. "Der Glaube hilft mir dabei", sagt Doberstein, "und wenn der liebe Gott in mir boxt, wird alles gut. Wenn nicht, hat er etwas anderes mit mir vor". Der Glaube macht ihm Mut. Zumal er ihm in seiner eigenen Kirche jetzt noch näher ist.

Zum Thema:

Auf einen BlickDer Kampf des Saarländers Jürgen Doberstein gegen den Franzosen Kévin Thomas Cojean um den Mediterranean-Titel der IBF ist der Höhepunkt des Boxabends am 22. November in der Saarbrücker Saarlandhalle. Neben Doberstein werden unter anderem Yakup Saglam, deutscher Meister im Schwergewicht, sowie Dennis Ronert, IBF-Juniorenweltmeister und deutsche Meister im Cruisergewicht, in den Ring steigen. In Saglams Kampfpass sind Boxer wie Manuel Charr und Odlanier Solis zu finden. Beide boxten gegen die Klitschkos um die WM.Tickets für den Boxabend sind über die Online-Plattform eventim.de ab 19 Euro erhältlich. red