Boateng gegen Boateng

Gelsenkirchen · Schalke 04 gegen den FC Bayern – das ist diesmal auch Boateng gegen Boateng. Gut möglich, dass das Duell der beiden Halbbrüder Kevin-Prince und Jerome in der Bundesliga-Spitzenpartie spielentscheidend sein wird.

Sie sind Brüder. Halbbrüder, um genau zu sein. Sie sind ziemlich dicke, sprechen von Bruderliebe. Kevin-Prince und Jerome Boateng haben jeden Tag Kontakt, schreiben, telefonieren. Nur an diesem Samstag, ab 18.30 Uhr, da werden sie für etwa 90 Minuten "keine Brüder sein", betont Kevin-Prince, 26, der ein Jahr ältere, der extrovertiertere. Blut mag dicker sein als Wasser - aber nicht, wenn es um diesen Sieg in der Bundesliga geht.

Schalke 04 gegen den FC Bayern München, Kevin-Prince gegen Jerome - da wird es vermutlich schön auf die Socken geben. "Ich wäre enttäuscht", berichtet Kevin-Prince, "wenn er mich im Spiel nicht mit hundert Prozent angehen würde - ich werde es so machen." Er werde es erst mal ohne Draufhauen versuchen, meint Jerome aber wenn es sein müsse, dann "wird keiner geschont".

Es ist ihr drittes Aufeinandertreffen - und das zweite in der Bundesliga. Am 25. April 2009, da spielten sie 13 Minuten gegeneinander, Kevin-Prince für Borussia Dortmund, das 2:0 gewann, Jerome für den Hamburger SV. Diesmal hat ihre Begegnung einen ganz anderen Stellenwert. Sie dürfte spielentscheidend sein. Kevin-Prince wird sich als hängende Spitze direkt mit Jerome, dem Innenverteidiger, auseinander zu setzen haben.

Früher, da haben sie gemeinsam gekickt, auf diesem 30 mal 15 Meter kleinen Bolzplatz "An der Panke" im Berliner Problembezirk Wedding. Später dann bei Hertha BSC - erst in der U 23, danach vorübergehend in der Profi-Mannschaft. Einmal, am 10. Februar 2009, sogar für die deutsche U 21. Spätestens da trennten sich ihre Wege erst mal, unter anderem weil Kevin-Prince keine Zukunft mehr in Auswahlmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sah.

Zwischenzeitlich kriselte es heftig zwischen den Brüdern, genau genommen nach jenem denkwürdigen Foul von Kevin-Prince gegen Michael Ballack, das diesem die Weltmeisterschaft 2010 verhagelte. Die Auslosung wollte es, dass sie dann auch noch im letzten WM-Vorrundenspiel aufeinander trafen - Jerome für Deutschland, das 1:0 gewann, Kevin-Prince für Ghana. Das Land, aus dem Vater George stammt. Im Juni 2009 hatte sich Kevin-Prince für den Wechsel zu Ghana entschieden.

"Zu der Zeit haben wir sicher ein wenig gestritten", sagt Kevin-Prince. Die Funkstille 2010 hat nicht lange gedauert. "Eine Woche nach der WM", berichtet Jerome, hätten sie auf einem Geburtstag gleich wieder miteinander geredet, "dann war alles vergessen". Und reifer geworden sind sie eh beide. Kevin-Prince macht dafür auch den ehemaligen DFB-Sportdirektor Matthias Sammer verantwortlich: Sammer habe ihn früher oft kritisiert, heute verstehe er besser, warum dieser das getan habe - und tatsächlich hat es ihm ja geholfen.

Kevin-Prince ist erst beim AC Mailand der Durchbruch gelungen, nach Stationen in London (Tottenham Hotspur), Dortmund (Ausleihe) und beim FC Portsmouth. Die zwölf Millionen Euro Ablöse, die Schalke an Mailand zahlte, wirken angesichts der tragenden Rolle, die er bei den Königsblauen von heute auf morgen eingenommen hat, gut angelegt. Jerome wiederum ist nach einer erstaunlich guten Rückrunde in der Triple-Saison nun Innenverteidiger Nummer eins beim FC Bayern.

In den bisherigen beiden Aufeinandertreffen sei es zu keinem Zweikampf zwischen ihnen gekommen, erinnert sich Jerome. Das wird anders werden am Samstag. Danach werden sie ihre Trikots tauschen, das ist ausgemacht, und der jüngere Jerome hofft, "dass ich ihn trösten muss". So nahe wie derzeit waren sie sich schon lange nicht mehr, die Halbbrüder Boateng. Fehlt ja nur noch eines: "Irgendwann", sagt Jerome, "kommt es dazu, dass wir irgendwo zusammen spielen". Von wegen irgendwo: Eine gemeinsames Karriereende bei Hertha BSC, sagt Kevin-Prince, "wäre ein Traum".

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