Richtungsweisender Kongress der IBU Die Biathleten fürchten Verhältnisse wie im Radsport

Porec · Beim Wahlkongress im kroatischen Porec sucht der skandalgeschüttelte Weltverband IBU einen Weg aus der Krise. Der Druck ist riesengroß.

 Unter Anders Besseberg schlitterte der Biathlon-Weltverband IBU in eine tiefe Krise.

Unter Anders Besseberg schlitterte der Biathlon-Weltverband IBU in eine tiefe Krise.

Foto: dpa/Martin Schutt

Für die Annehmlichkeiten des kroatischen Badeortes werden sie keine Zeit haben – dabei hätte Porec doch so viel Schönes zu bieten. Malerische Strände, einen mondänen Yachthafen oder die historische Euphrasius-Basilika. Wenn die Biathlon-Funktionäre aus aller Herren Länder in dieser Woche aber zusammenkommen, geht es einzig und allein um ihren Wintersport – und darum, einen Ausweg aus der tiefsten Krise in der Geschichte des Dachverbandes zu finden.

„In Porec wird sich entscheiden, was wir für einen Sport in der Zukunft bekommen“, sagt der französische Superstar Martin Fourcade. Auch Weltmeister Erik Lesser sieht den Dachverband unter enormem Zugzwang: „Die IBU hat mitbekommen, dass die Welt negativ auf sie schaut.“ Er fordert als einer der Athletensprecher im Namen seiner Kollegen, dass die Vergangenheit „ordentlich“ aufgearbeitet wird: „Wenn im Biathlon Radsport-Verhältnisse einkehren, wo alle über einen Kamm geschert werden und ein genereller Dopingverdacht besteht, das wäre der Super-Gau.“

Der geschäftsführende Generalsekretär Martin Kuchenmeister sieht in Porec die Zeit für „eine neue Ära in der Internationalen Biathlon-Union“ gekommen. Der momentan starke Mann der IBU, der erst durch die Aufdeckung der zurückliegenden Skandale zu dieser Position kam, erklärt zudem, dass man „25 äußerst erfolgreiche Jahre IBU“ feiern wolle. Allerdings erst nach der notwendigen Arbeit.

Die beginnt morgen so richtig, am ersten Kongresstag. Erstmals in der Geschichte der IBU wird dann ein neuer Präsident gewählt, nachdem der langjährige Verbandsboss Anders Besseberg nach den Wirrungen der vergangenen Monate zurückgetreten war. Mindestens ebenso wichtig wie die Wahl des neuen IBU-Präsidenten wird für eine erfolgreiche Zukunft allerdings am Samstag die Verabschiedung des erweiterten Ethikcodes und die Installation einer vollkommen neuen Ethikkommission sein.

Hätte es die schon vor Jahren gegeben, wäre dem Weltverband womöglich jede Menge Ärger erspart geblieben. So aber konnten die obersten Funktionäre ohne Skrupel mauscheln – angeblich sollen die Machenschaften mindestens bis in das Jahr 2012 zurückreichen und viele russische Sportler, gedeckt von höchster Stelle, mit verbotenen Substanzen im Körper an der WM 2017 in Hochfilzen teilgenommen haben.

Anfang April war öffentlich geworden, dass seit Ende 2017 wegen dieser extremen Vermutungen Ermittlungen der österreichischen Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft in Wien wegen Doping- und Betrugsverdachts sowie Geschenkannahme laufen. Die Ermittlungen richten sich demnach unter anderem gegen Besseberg und die deutsche Ex-Generalsekretärin Nicole Resch sowie russische Sportler und Betreuer. In diesem Zusammenhang ist die Ende August bekannt gegebene Einleitung von Dopingverfahren gegen vier russische Biathleten, darunter angeblich die beiden Olympiasieger Jewgeni Ustjugow und Svetlana Slepzowa, umso heikler.

Der Wunsch nach Erneuerungen hat auch einen pragmatischen Hintergrund. Im Zuge des Skandals hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) alle Zahlungen an die IBU eingestellt. Die Zuwendungen sollen erst fortgesetzt werden, wenn unter anderem ein neuer Präsident gewählt und das Anti-Doping-Verfahren reformiert ist. Den Weg aus der Krise anleiten wollen als neue IBU-Präsidenten der Schwede Olle Dahlin und die Lettin Baiba Broka. Der Ausgang der Wahl ist offen.

Neben der Aufarbeitung sportpolitischer Themen werden auch rein sportliche Tatsachen geschaffen. So vergibt der Kongress am Sonntag die Weltmeisterschaften für die Jahre 2021 und 2023. Die thüringische Hochburg Oberhof, die bereits 2004 Gastgeber der Titelkämpfe gewesen war, rechnet sich nach der Niederlage im Wettstreit um die WM 2020 (Antholz) sehr gute Chancen aus.

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