Benzema ruft den Krieg aus
Donezk. Immerhin: Karim Benzema kann auf unschuldig plädieren. Niemand hat den Stürmer mit dem markanten Kurzhaarschnitt je für die Verfehlungen der französischen Nationalmannschaft vor zwei Jahren in Südafrika in die Verantwortung gezogen. Obwohl der 24-Jährige bereits 2009 bei Real Madrid angeheuert hatte, nahm ihn ein gewisser Raymond Domenech gar nicht erst zur WM 2010 mit
Donezk. Immerhin: Karim Benzema kann auf unschuldig plädieren. Niemand hat den Stürmer mit dem markanten Kurzhaarschnitt je für die Verfehlungen der französischen Nationalmannschaft vor zwei Jahren in Südafrika in die Verantwortung gezogen. Obwohl der 24-Jährige bereits 2009 bei Real Madrid angeheuert hatte, nahm ihn ein gewisser Raymond Domenech gar nicht erst zur WM 2010 mit. Hernach ist der stämmige 1,84-Meter-Mann, der in schlechten Zeiten annähernd 90 Kilo wog, aus lauter Frust noch ein bisschen häufiger in einschlägige Schnellrestaurants gegangen. "Aber ich habe schnell kapiert, dass nach dem Sturm wieder die Sonne scheint", sagt Benzema.Im Grunde dürften an der Tauglichkeit dieses Torjägers keine Zweifel bestehen: Bei der Équipe Tricolore unter Leitung von Laurent Blanc hat sich Benzema ebenso einen Stammplatz gesichert wie bei Real Madrid unter Trainer José Mourinho, der bei seinem Amtsantritt 2010 anregte, dass der gewichtige Angreifer ein bisschen abspecken sollte. "Meist gibt es bei mir Salat, Gemüse und Fisch", sagt Benzema artig: "Ich bin dadurch athletischer und schneller geworden."
21 Treffer hat der Franzose mit algerischen Wurzeln nun allein zum spanischen Meistertitel der "Königlichen" beigetragen, doch ausgerechnet zum Viertelfinale Frankreich gegen Spanien an diesem Samstag (20.45 Uhr) in Donezk umkreist seine Person eine eigentümliche Debatte. Bei keinem der namhaften Offensivkräfte dieser EM wirkt das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag grotesker: 17 Torschüsse, kein Treffer. "Richtig, er hat viel probiert und ist vielleicht frustriert", urteilt Blanc in beinahe väterlicher Milde: "Wie alle Stürmer braucht er Tore."
Der Nationaltrainer weiß aus seiner aktiven Zeit, wie einst Thierry Henry litt, wenn es mit dem Tore-Tagwerk nicht klappen wollte. Bei Henry war damals stets der innere Drang zu spüren, dem Dilemma durch gesteigerten Eifer zu entkommen. Dafür ist er irgendwann belohnt worden. Bei Benzema ist auch nach 48 Länderspielen (15 Tore) immer noch ein Hang zur Bequemlichkeit zu beobachten, wenn ein Fußballspiel nicht nach seinen Wünschen läuft.
Immerhin geht er vor dem K.o.-Duell gegen den Titelverteidiger schon mal mit markigen Worten voran: "Gegen Spanien können wir für eine Überraschung sorgen. Das wird ein Krieg, und wir wollen ihn gewinnen." Dabei haben die Franzosen gerade selbst ziemlich viel mit Scheingefechten in eigenen Reihen zu tun. Auch die Torlos-Diskussion um den Stoßstürmer wird mit indirekten Beschuldigungen geführt. "Chancen habe ich nur, wenn ich die Anspiele kriege", klagt Benzema. Vor allem Samir Nasri soll den Vorlagengeber mimen, doch der Edeltechniker von Manchester City hat sich zuletzt wieder dem hingegeben, was die Franzosen "L'art-pour-l'art"-Spiel nennen - Kunst, um der Kunst willen.
Benzema fehlen offenkundig die hochkarätigen Zuarbeiter aus dem Vereinsalltag, wo ihn Kaliber wie Cristiano Ronaldo, Mesut Özil oder Xabi Alonso bedienen. Laurent Blanc insistiert, Benzema solle nicht verzweifeln. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Teamchef gegen Spanien die Mittelfeldreihe neu ordnet - Jérémy Menez und Yohan Cabaye rücken sicher ins Team, Nasri vielleicht auf die Bank. Benzema soll gegen die altbekannten Kollegen - mit Casillas, Ramos, Albiol, Arbeloa und Alonso stehen fünf Real-Stars im Aufgebot - einfach sein Repertoire abrufen, verlangt Blanc: "Vielleicht kann er dann seine Blockade lösen." Teamkollege Florent Malouda glaubt sogar: "Mit einem Tor gegen die Spanier könnte Karim mit erhobenem Haupt nach Madrid zurückkehren." Hört sich alles schön an. Aber ob so schnell die Sonne wieder scheint?