Barrierefrei zurück ins Leben
Saarbrücken. Manche können nicht mal sprechen. Sind schwerstbehindert, auf Hilfe angewiesen. Sie sind an den Rollstuhl gefesselt, jeden Tag. Die Patienten der Cura-Med Süd-Warndt-Klinik sind auf Krankenpfleger angewiesen, die sie begleiten, sobald sie die Pflege- und Langzeit-Reha-Einrichtung in Karlsbrunn verlassen
Saarbrücken. Manche können nicht mal sprechen. Sind schwerstbehindert, auf Hilfe angewiesen. Sie sind an den Rollstuhl gefesselt, jeden Tag. Die Patienten der Cura-Med Süd-Warndt-Klinik sind auf Krankenpfleger angewiesen, die sie begleiten, sobald sie die Pflege- und Langzeit-Reha-Einrichtung in Karlsbrunn verlassen. Und selbst dann sind ihre Möglichkeiten begrenzt, Abstand von dem eingeengten Leben zu bekommen: argwöhnische Blicke der Passanten, überall Treppen, schmale Pfade, die für Rollstuhlfahrer ungeeignet sind. Von Integration spüren diese Menschen im Alltag oft wenig. Doch der Sportverein Karlsbrunn hat das zum Teil geändert.Der Sportplatz des Fußball-Landesligisten liegt nur wenige Meter neben der Cura-Med-Klinik. Nach den Trainingseinheiten am Abend oder nach den Liga-Partien gehen Trainer und Spieler in das Clubheim Wiesenthal - nichts Außergewöhnliches. Außergewöhnlich ist jedoch, dass seit Juni 2011 eben auch die Patienten der Klinik und deren Angehörige inmitten der Vereinsmitglieder sitzen. Mit dem Projekt "Barrierefreie Integration von Schwerstbehinderten und Behinderten in das sport- und gesellschaftliche Leben des SV Karlsbrunn" hat der SV bei der Aktion "Sterne des Sports" den Großen Stern in Silber erhalten. Karlsbrunn wird das Saarland am 7. Februar 2012 in Berlin auf Bundesebene vertreten.
"Ich bin im Sport schon lange dabei. Ich habe schon viele Meisterschaften und erste Plätze miterlebt. Aber das hier ist etwas Besonderes", erzählte Heinz Gorius, Vorsitzender und Trainer des SV Karlsbrunn, auf den die Initiative des Projekts zurückgeht. Zusammen mit sechs Vorstandsmitgliedern setzte er seine Idee im Sommer dieses Jahres in die Tat um, baute eine Rampe für Rollstuhlfahrer, die in das Sportheim führt. "Ich finde es bemerkenswert, dass ein Verein sich Gedanken macht, wie man behinderte Menschen in die Gesellschaft integrieren kann", sagt Willi Ulrich, Leiter der Cura-Med-Klinik.
Schon vor zwei Jahren baute der SV Karlsbrunn eine große Überdachung mit Grillstation am Sportplatz, unter der Patienten und Fußballfans die Spiel verfolgen können. "Gerade für einen Fußball-Verein sind solche Maßnahmen außergewöhnlich", meinte gestern Abend Werner Zimmer, Jury-Vorsitzender, bei der Verleihung der Sterne in Silber in der "Bel étage" in Saarbrücken. Dort war übrigens auch Lothar Bock vom Vorjahressieger Judoclub Folsterhöhe anwesend.
"Die Resonanz durch die Sterne des Sports ist sehr groß. Da kommt so viel auf einen zu an Terminen und Gesprächen", erklärte Bock und scherzte: "Karlsbrunns Vorsitzender wird wahrscheinlich nach einem Jahr die Rampe hochkrabbeln."
Neue Ideen hat Gorius, der den Stern in Silber gestern entgegennahm, übrigens schon im Kopf: "Der Preis soll Ansporn sein, um noch mehr Kreativität zu entwickeln. Eine Idee für die Zukunft wäre, mit den Patienten gemeinsame Sportstunden zu organisieren." Schließlich gibt es in seinem Verein keine argwöhnischen Blicke, keine Treppen, die den Rollstuhlfahrern das Leben noch schwerer machen. Denn der SV Karlsbrunn hat das geändert.
Stichwort
Die "Sterne des Sports" ist eine Aktion des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die ehrenamtliche Tätigkeiten prämiert. Bewerben können sich Vereine, die Besonderes in einer der folgenden Kategorien erbringen: Gesundheit, Integration, Kinder- und Jugendarbeit, Familie, Senioren, Gleichstellung, Leistungsmotivation, Klima- und Umweltschutz, Vereinsmanagement und Ehrenamtsförderung. Unterstützt wird die Aktion von den Landessportverbänden, bei uns der Landessportverband für das Saarland, und von den Volksbanken und Raiffeisenbanken.
Im Saarland gibt es Preisträger auf regionaler Ebene, die den "Stern des Sports" in Bronze erhalten. Aus diesen wählt eine Jury einen Landessieger aus, der zum Bundesfinale nach Berlin darf. In diesem Jahr ist das der SV Karlsbrunn (Projekt: "Barrierefreie Integration von Schwerstbehinderten und Behinderten in das sport- und gesellschaftliche Leben des SV Karlsbrunn", Preisgeld: 2500 Euro). Ihm folgt auf Platz zwei der LC Rehlingen ("Modellprojekt zur Förderung und Erhaltung von Talenten", 1500 Euro) und auf Rang drei der TV Eppelborn ("Jung und alt - Bewegung macht Spaß") und der TV Püttlingen ("Kooperation im Behindertensport, Schule und Verein", je 750 Euro). Die Saarländer sind traditionell auf Bundesebene sehr erfolgreich. Der "Große Stern des Sports in Gold" ging zwei Mal ins Saarland - 2009 an den TV Altstadt und 2010 an die Tanzabteilung des PSV Saarbrücken. Der Judoclub Folsterhöhe belegte dieses Jahr Platz zwei auf Bundesebene. mwe/cjo