Bälle wegschlagen kann jeder

Frankfurt. Marco Russ ist ein guter Kopfballspieler - und ein kluger Kopf. Wenn der Abwehrrecke nach dem 3:1 der Frankfurter Eintracht in der Fußball-Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg sagt, "wir wollen uns da oben festsetzen", hat dies Gewicht

Frankfurt. Marco Russ ist ein guter Kopfballspieler - und ein kluger Kopf. Wenn der Abwehrrecke nach dem 3:1 der Frankfurter Eintracht in der Fußball-Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg sagt, "wir wollen uns da oben festsetzen", hat dies Gewicht. Clubchef Heribert Bruchhagen stellte sich zwar neben seinen aussagekräftigen Spieler, sagte aber wie gewohnt nichts über Perspektiven: "Wir haben ein tolles Spiel gesehen und freuen uns über das augenblicklich gute Tabellenbild." Eine schöne Momentaufnahme. Mehr nicht. Danach gefragt, ging er auf den Satz des Spielers nicht ein: "Russ hat eine tolle Leistung geboten und die Aufgabe gegen die Wolfsburger Qualitätsstürmer wunderbar gelöst." Augenzwinkern.Bruchhagen hat in den fast sieben Jahren Amtszeit erfahren, wie schnell in Frankfurt Erwartungen in den Himmel schießen wie Wolkenkratzer in "Mainhatten". Dennoch: Seit er die Eintracht führt, hat noch keine seiner Mannschaften so konstant erfolgreichen und schönen Fußball gespielt. Die Eintracht ist seit sechs Spielen ungeschlagen. Man ist geneigt, den Höhenflug allein Theofanis Gekas zu danken: Elf Tore in elf Spielen, das zehnte (26. Minute) und elfte (55./Foulelfmeter) zum 1:0 und 3:0. Dazwischen ein Weitschuss in den Winkel von Pirmin Schwegler (38.). Nicht weniger bedeutsam sind die nur elf Gegentore, die Oka Nikolov zuließ. Mit vier Klasseparaden verhinderte das Eintracht-Urgestein (seit 1991 im Verein) ein weiteres Tor außer dem von Ashkan Dejagah zum 3:1 (66.). "Nikolov war herausragend", lobte Trainer Michael Skibbe. Zu Gekas, der selbst nie etwas sagt, erklärte Skibbe: "Er bewegt sich unglaublich geschickt, braucht wenige Ballkontakte zum Torabschluss. Das sind außergewöhnliche Qualitäten im entscheidenden Moment." Die Mannschaft fragt sich belustigt, so Russ, "ob Gekas seine Seele verkauft hat. Er trifft ja alles, auch mit einem schlecht geschossenen Elfer".

Zwischen Torwart und Torjäger spielt eine Mannschaft, die die Handschrift des einstigen Bundestrainers an der Seite des Teamchefs Rudi Völler trägt: Kombinations-, Tempo- und Flügelspiel, getragen von Ballsicherheit, Kampfgeist und Selbstvertrauen. Und das, obwohl gegen Wolfsburg mit Chris und Meier zwei der Besten fehlten. Skibbe erklärt seine Handschrift: "Bälle wegschlagen kann jeder. Aus bedrängter Situation heraus gut Fußball spielen - das macht den Unterschied aus und bringt uns auf das Niveau eines VfL Wolfsburg." Der Meister von 2009 kommt immerhin mit der individuellen Klasse eines Diego, Edin Dzeko oder Grafite daher, spielt aber, wie der englische Trainer Steve McClaren auf Deutsch in seine englische Analyse einfließen ließ, "mal so, mal so". Er beklagte fehlende Konstanz seiner Elf, jammerte, dass die beiden ersten Gegentore "wie aus dem Nichts" gefallen seien und fand den Elfmeter - Simon Kjaer hatte bei einem Eckball Maik Franz eindeutig umgerissen - "unglaublich". Sei's drum: Die Eintracht ließ die 43 000 Besucher jubeln. "Das ist ihr gutes Recht", sagte Kapitän Patrick Ochs: "Aber nur wenn wir den ganzen Rest der Saison so zielstrebig unseren Stiefel runterspielen, kann am Ende etwas Schönes herauskommen." Für den Rest dieses Jahres gibt es, gemessen an Namen und Tabellenplatz, bis auf eines nur Topspiele: in Bremen, gegen Hoffenheim, in München, gegen Mainz, in Köln, gegen Dortmund. "Wir sind auswärts besser als zu Hause. Wenn wir so weiter spielen, wer weiß, was da noch drin ist." Auch diese Sätze von Russ hat Bruchhagen geflissentlich überhört.

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