Ausgestoßene werden zu Helden

Paris · Die Franzosen hatten ihre Mannschaft abgeschrieben, als Verlierer abgestempelt. Gegen die Ukraine drohte die Riesen-Blamage: die erste verpasste WM-Teilnahme seit 20 Jahren. Doch das Wunder gelang. Ribéry und Co. sind in Brasilien dabei.

Franck Ribéry tanzte berauscht durchs Pariser "Stade de France". Auf der Tribüne pustete Frankreichs Staatspräsident François Hollande erleichtert durch. Die nationale Katastrophe vor der Europameisterschaft 2016 im eigenen Land wurde in letzter Sekunde abgewendet. Durch das 3:0 im Relegations-Rückspiel gegen die Ukraine schaffte Frankreichs Fußball-Nationalmannschaft nach der 0:2-Hinspielpleite doch noch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Ausgelassen warfen die Spieler Nationaltrainer Didier Deschamps in die Luft - er durfte sich zu später Stunde dann noch über eine Vertragsverlängerung bis 2016 freuen.

"C'est magnifique!", schrie Ribéry nach dem Abpfiff in die Mikrofone und Kameras. Das Spiel werde man "nie mehr im Leben" vergessen, stammelte Europas Fußballer des Jahres bewegt. Mit zwei Tor-Vorlagen löste der Offensivspieler von Bayern München sein Versprechen ein, seine Mannschaft zur WM nach Brasilien zu führen, und unterstrich mit einer starken Leistung seine Ambitionen auf den Titel Weltfußballer des Jahres.

In Paris, Marseille und anderen Großstädten strömten die Fans jubelnd auf die Straßen. Trotz tagelanger Medienschelte und Problemen innerhalb der Mannschaft gelang den Franzosen das Kunststück, als erste Mannschaft in einem Relegations-Spiel zu einer WM ein 0:2 aus dem Hinspiel wett zu machen. "Respekt", titelte gestern "L'Équipe". Die Sportzeitung sah "eine Nacht blau wie ein Traum". Vor 80 000 Zuschauern sorgten Mamadou Sakho vom FC Liverpool mit einem Doppelpack (22./72. Minute) und Real Madrids Karim Benzema (34.) aus Abseitsposition für die Erlösung. "Und eins, und zwei, und drei zu null", skandierten Fans auf der Pariser Prachtstraße Champs Elysées in Anlehnung an den Jubelschrei nach dem 3:0-Sieg im Endspiel gegen Brasilien bei der Heim-WM 1998.

Vor dem Rückspiel hatten in Umfragen nur zehn Prozent der Franzosen ihre Zuversicht erklärt. Mehr als 85 Prozent hatten sogar versichert, sie wollten die Nationalelf nicht mehr unterstützen. Zu frisch waren in der Erinnerung unter anderem der Trainingsstreik von Ribéry und Co. samt Vorrunden-Aus bei der WM 2010 in Südafrika, das Vorrunden-Aus bei der EM 2008 und die schlechten Vorstellungen bei der EM 2012. "Im Zeitraum von 90 Minuten extremer Intensität sind ,Les Bleus' von Ausgestoßenen zu Helden geworden", stellte die Zeitung "Le Figaro" fest. Trainer Deschamps, der nach Spielende mit der Verlängerung seines Vertrags bis zur EM 2016 im eigenen Land belohnt wurde, war minutenlang ungläubig. Er habe schon große Augenblicke im Sport erlebt, sagte der Kapitän der Weltmeister-Mannschaft von 1998, der als Trainer Olympique Marseille zum Meister-Titel führte. "Aber der Sieg gegen die Ukraine, das ist so was von fantastisch", erklärte er.

Für Frankreich war der historische Fußball-Abend in Zeiten von Wirtschaftskrise und Hoffnungslosigkeit mehr als ein sportlicher Erfolg. "Ich denke an die vielen Franzosen, die nun Grund zur Freude haben", sagte Präsident Hollande.

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HintergrundDas Teilnehmerfeld ist fast komplett. 31 von 32 Teilnehmern an der Weltmeisterschaft 2014 stehen fest. Die letzte Entscheidung fiel in der Nacht zu heute im Relegations-Rückspiel Uruguay gegen Jordanien. Die Südamerikaner sind auf Grund des 5:0 im Hinspiel so gut wie qualifiziert. Die WM-Teilnehmer im Überblick: Brasilien (Gastgeber), Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Chile, Costa Rica, Deutschland, Ecuador, Elfenbeinküste, England, Frankreich, Ghana, Griechenland, Honduras, Iran, Italien, Japan, Kamerun, Kolumbien, Kroatien, Mexiko, Niederlande, Nigeria, Portugal, Russland, Schweiz, Spanien (Titelverteidiger), Südkorea, USA sowie Uruguay oder Jordanien. sid

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