Ausbooten oder gnädig sein?

Berlin · Vor dem Wolfsburger Stürmer Max Kruse wurden auch schon andere Nationalspieler von Bundestrainer Joachim Löw ausgemustert. Bei einigen ließ er aber auch Gnade walten, etwa bei Lukas Podolski oder Marco Reus.

 Joachim Löw hat Stürmer Max Kruse am Montag aus dem Aufgebot gestrichen. Es ist nicht das erste Mal, dass er einen Spieler suspendiert. Allerdings reagierte er auch schon milder. Foto: anspach/dpa

Joachim Löw hat Stürmer Max Kruse am Montag aus dem Aufgebot gestrichen. Es ist nicht das erste Mal, dass er einen Spieler suspendiert. Allerdings reagierte er auch schon milder. Foto: anspach/dpa

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Lukas Podolski durfte trotz einer Ohrfeige gegen Michael Ballack weiter in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft spielen. Auch Marco Reus musste wegen seines Fahrens ohne Führerschein keine Konsequenzen erleiden. Bei einmaligen Ausrutschern von Leistungsträgern belässt es Bundestrainer Joachim Löw gerne bei einer Ermahnung.

Dennoch hat vor Max Kruse auch schon andere Spieler die Härte Löws getroffen. Aus disziplinarischen Gründen waren dies Kevin Kuranyi und Kevin Großkreutz . Letzterer wie Kruse auch nach mehreren Verfehlungen und als sportlich durchaus verzichtbarer Spieler. Insgesamt sind Löws Maßstäbe nicht immer durchschaubar, allerdings sind meist auch nicht alle Hintergründe bekannt.

Sportlich ausgebootet wurde einst sogar der "Capitano" Michael Ballack . Der verletzte sich nach einem Foul von Kevin-Prince Boateng kurz vor der WM 2010. In Fußball-Deutschland herrschte Panik, als brauche das DFB-Team ohne ihn gar nicht in Südafrika anzutreten. Doch dann emanzipierte sich die nächste Generation um Philipp Lahm und Talente wie Sami Khedira auf wie neben dem Feld. Und Löw berief Ballack nach monatelangem Schlingerkurs nicht mehr.

Im April 2009 waren schon erste Unstimmigkeiten zwischen Ballack und dem Team offensichtlich geworden, als Podolski den Kapitän in Wales ohrfeigte. Löw erklärte damals, Podolski stünde nun "unter besonderer Beobachtung", er habe "Grenzen überschritten". Da sich Podolski danach nichts mehr zu Schulden kommen ließ, brachte er es bis heute auf 126 Länderspiele.

Dass Reus mehrfach geblitzt wurde, obwohl er keinen Führerschein besaß, stufte Löw offenbar als Privatsache ein. Zumindest in Sachen Autofahren hatte es der Bundestrainer auch schwer als Moralinstanz, nachdem er 2014 selbst seinen Führerschein wegen mehrerer Geschwindigkeitsübertretungen abgeben musste. Allerdings wurde Reus auch von seinem Verein Borussia Dortmund nicht bestraft, er ist für beide Teams ein wichtiger Spieler.

Kuranyi war dies 2008 nicht. Ihm ist nicht mal eine öffentliche Warnung vergönnt gewesen. Der Schalker saß bei einem WM-Qualifikationsspiel in Dortmund auf der Tribüne und musste sich von den Fans einiges anhören. Irgendwann hatte er genug und ging während des Spiels nach Hause. Wiederkommen durfte er nicht mehr.

Die Mannschaft im Stich zu lassen, ist für Löw offenbar die größtmögliche Sünde. Denn genau das wurde auch Großkreutz zum Verhängnis. Die "Dönerwurf-Affäre" hatte er mit einer Verwarnung überstanden. Sogar mit zur WM 2014 durfte er, obwohl im Trainingslager bekannt geworden war, dass er in eine Hotel-Lobby uriniert hatte. Obwohl er in Brasilien nicht zum Einsatz kam, darf sich Großkreutz deshalb heute Weltmeister nennen. Als er aus Istanbul, wo Großkreutz wegen eines bürokratischen Fehlers seines Vereins Galatasaray nicht spielberechtigt war, an den Wochenenden nach Hause flog, musterte der Bundestrainer ihn aus.

Was wirklich zwischen Trainer und Spielern ablief, ist oftmals aber nicht bekannt. So berief Löw Stefan Kießling trotz starker Form und einem Engpass im Sturm nicht zur WM 2014. Auch dies könnte persönliche Gründe gehabt haben, schließlich gab es Gerüchte über ein angespanntes Verhältnis zwischen Löw und dem Leverkusener. Weltmeister wurde Löw trotzdem. Ohne Kießling. Ohne Kruse. Mit Großkreutz.

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Auf einen BlickMax Kruse bleibt vorerst Spieler des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg und soll heute wieder mit der Mannschaft trainieren. Das kündigte Trainer Dieter Hecking gestern an und erklärte: "Er war da und hat ein individuelles Programm bekommen." Einen Tag nach der Nationalmannschafts-Suspendierung trainierte der Offensivmann nicht mit dem Team. "Wir sehen ja, was hier heute los ist", erklärte Hecking: "Das muss er nicht durchmachen."Hecking kündigte allerdings weitere Gespräche mit dem Spieler an, der zuletzt mehrfach wegen privater Dinge in den Schlagzeilen war. Zur Frage, ob Kruse den Verein verlassen müsse, sagte der Wolfsburger Trainer: "Davon gehe ich im Moment nicht aus." dpa

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