Auf Formsuche in der Heimat
Kingston · Wenn es um das Demonstrieren von Gelassenheit geht, ist Usain Bolt genauso Weltklasse wie auf der Tartanbahn. Doch der 28-Jährige sucht seine Form – er will bei den Jamaika-Meisterschaften endlich in die Gänge kommen.
Usain Bolt gibt wieder Vollgas - bisher aber nur in einem neuen Werbespot. Darin steigt er lässig in einen Elektro-Rennwagen und braust davon. Auf zwei Beinen war der Jamaikaner dagegen schon lange nicht mehr wirklich rasant unterwegs. Doch noch bleibt Bolt betont cool. "Es ist zu früh, als dass jetzt die Alarmglocken angehen", sagt der 28-Jährige vor seinem ungeplanten Start bei den jamaikanischen Meisterschaften, die heute beginnen und bis zum kommenden Sonntag andauern. "Ich versuche, mir niemals Sorgen zu machen. Ich arbeite weiter, schließlich habe ich aus irgendeinem Grund bisher immer die Kurve gekriegt", fuhr Bolt trotzig fort.
Nur 49. der Weltrangliste
Fans und Experten fragen sich: Was ist in diesem Jahr mit Bolt los? Die Vorstellungen des sechsmaligen Olympia-Siegers auf dem Weg zu den Weltmeisterschaften in Peking vom 22. bis zum 30. August blieben glanzlos. Im Moment liegt der Weltrekordhalter über 100 Meter mit seinen 10,12 Sekunden nur auf Rang 49 der Weltrangliste.
Um endlich in die Gänge zu kommen, startet Bolt überraschend bei den nationalen Ausscheidungen für die WM in Peking. Das hat er als Titelverteidiger eigentlich gar nicht nötig. Doch für das erwartete Duell in China mit US-Sprinter Justin Gatlin , mit 9,74 Sekunden derzeit die Nummer eins über 100 Meter, braucht er Rennpraxis. Und mit Ex-Weltmeister Yohan Blake und Asafa Powell gibt es auch namhafte Konkurrenz im eigenen Lager. Allerdings ist noch unklar, ob Bolt nach den Vorläufen am heutigen Donnerstag auch zu den nächsten Runden antritt. Das Finale ist für den morgigen Freitag geplant.
Bolt ist immer noch der größte Star der Leichtathletik-Szene: Aber zwischen seinen Show-Einlagen und der gezeigten Leistung besteht mittlerweile eine nie da gewesene Diskrepanz. Doch der 28-Jährige weiß auch: "Wenn es darauf ankam, war ich immer voll da und habe bewiesen, dass ich der Beste bin." Bolt hat neun der vergangenen zehn großen Finals seit 2008 über 100 und 200 Meter gewonnen - und in jedem Endlauf dieser Meisterschaften rannte er Saisonbestleistung. Nur bei der WM 2011 verpasste Bolt das Gold - über 100 Meter nach einer Fehlstart-Disqualifikation.
Also demonstriert er das, was er mindestens genauso gut kann wie schnell laufen: Gelassenheit. "Fürchten? Wenn die Leute so etwas sagen, lache ich", sagt Bolt, angesprochen auf Herausforderer Gatlin. Der 33-Jährige präsentiert sich nach seiner zweiten Dopingsperre wegen des Gebrauchs von Testosteron in diesem Jahr im Gegensatz zu Bolt in der Form seines Lebens. "Noch ist genug Zeit bis Peking", sagt Bolt. Spätestens dann will er auch auf zwei Beinen wieder Vollgas geben.