Auf der Suche nach dem System für den Finaleinzug

Das Italien-Trauma ist Vergangenheit. Das Halbfinale gegen Frankreich die Gegenwart. Heute trifft Deutschland in Marseille im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft auf den Gastgeber. Um 21 Uhr pfeift Nicola Rizzoli das Spiel an. Ein Italiener, ausgerechnet. Und wieder wird Auersmacher, das Saarland, ganz Deutschland auf Jonas Hector und seine Mitspieler schauen. Alle werden sie hoffen, dass die Mannschaft von Trainer Joachim Löw den nächsten Schritt setzt, sich für das Finale am Sonntag in Paris qualifiziert. Und das Saarland hofft, dass Hector wie beim 6:5 nach Elfmeterschießen gegen Italien weiter die Ruhe bewahrt.

Das wird nicht einfach. Frankreich hat gegen Island im Viertelfinale eine starke Leistung gezeigt, nach dem 1:0 "wirkte die Mannschaft wie von einer Last befreit, führte zu Pause 4:0", sagt der Bundestrainer . Am Ende stand es 5:2. "Es wird ein Spiel auf Augenhöhe", erklärt Löw: "Ich liebe solche K.o.-Spiele gegen starke Mannschaften." Frankreich sei aber viel schwerer zu spielen als Italien, das nur zwei Angriffszüge im Repertoire hatte, "die zwar Weltklasse sind, aber eben leicht auszurechnen", sagt Löw. Die Franzosen seien viel flexibler. Und sie spielen zu Hause.

Deutschland ist auch schwer auszurechnen, beherrscht verschiedene Systeme. Gut so, denn Löw muss seine Mannschaft erneut umbauen. Das EM-Aus für Mario Gomez (Muskelfaserriss), die Verletzung von Sami Khedira (Adduktoren) und die Gelbsperre für Mats Hummels erzwingen dies. "Ja, ich werde neue Namen bringen müssen", sagt Löw. Aber: "Ich habe immer betont, dass ich all unseren Spielern vertraue, auch denen, die bisher nicht gespielt haben. Da habe ich keine Bedenken." In der Abwehr wird Benedikt Höwedes für Hummels auflaufen, das scheint klar. Für die Sechser-Position fehlt Khedira - und Bastian Schweinsteiger konnte erst gestern wieder mit der Mannschaft trainieren. Doch Löw sagt: "Er wird definitiv beginnen. Er hat die Physis und die Kraft, von Anfang an zu spielen. In so einem Hexenkessel ist seine Erfahrung enorm wichtig."

Schweinsteiger hatte beim Viertelfinal-Sieg gegen Italien eine Außenbandzerrung im Knie erlitten. Wäre er nun ausgefallen, hätte Löw wohl auf Emre Can oder Julian Weigl gesetzt. "Can ist ein wuchtiger Spieler, auch technisch stark und würde unserem Spiel sicher guttun. Weigl ist ebenfalls ein sehr guter Spieler, er hat eine andere Herangehensweise und ist unheimlich sicher am Ball." Kurz: Can ist der Mann fürs Grobe, Weigl der feine Fuß.

Da mit Toni Kroos bereits ein Techniker im defensiven Mittelfeld spielt, würde Can wohl Vorteile haben, falls Schweinsteiger nicht durchhält. Denn es gilt zum Beispiel, Frankreichs Mittelfeld-Hüne Paul Pogba zu bearbeiten oder in der Abwehr gegen den bulligen Stürmer Olivier Giroud zu helfen. "Wir wissen, was wir tun müssen", sagt Löw, ohne genau zu sagen, was. Auch nicht, ob er nach dem Ausfall von Gomez mit zwei Stürmern spielen will - oder nur mit einem. "Thomas Müller hat Laufwege, die man schwer aufnehmen kann als Abwehrspieler. Mario Götze ist ein Spieler, der die Bälle vorne sehr gut verteidigen kann. Er ist anspielbar und leitet die Bälle weiter. Müller ist ein Spieler, der in die Tiefe geht. Das ist der Unterschied", erklärte Löw.

In welchem System, in welcher Aufstellung? Statistiker haben errechnet, dass Löw 27 Möglichkeiten habe. Letztlich zählt das Ergebnis, und das könnte wieder erst nach einem Elfmeterschießen feststehen. Was in Auersmacher nicht jeder gerne sehen würde. Vor allem nicht Jörn Birster, Hectors damaliger Trainer. "Jonas soll das nicht mehr machen", sagt der Polizist, "das halten meine Nerven nicht nochmal aus".

Aber das Spiel gegen Italien ist ja Vergangenheit. Jetzt zählt nur noch die Gegenwart - und danach erst die Zukunft. Am Sonntag ist das Finale in Paris.

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