Angst vor Terror wird ausgeblendet

Sotschi · Bloß nicht Bange machen lassen – so lautet der Tenor der deutschen Athleten angesichts der Terrordrohungen vor der Abreise zu den Winterspielen. Doch einige Sportler haben vor dem Flug nach Sotschi durchaus ein mulmiges Gefühl.

Die Terrorgefahr bei den Winterspielen in Sotschi lässt die deutschen Athleten weder kalt noch vor Angst erstarren. "Wir fahren dorthin, um Wettkämpfe zu absolvieren. Für Sicherheitsfragen sind andere zuständig", sagt Eric Frenzel, Weltmeister von 2011 und 2013 in der Nordischen Kombination, eine Woche vor der Eröffnungsfeier: "Wenn wir Athleten uns damit beschäftigen, sind wir fehl am Platz."

Ähnlich sieht es Disziplin-Kollege Johannes Rydzek: "Schön ist es trotzdem nicht, was da an Terrordrohungen losgelassen wurde. Klar nimmt man das wahr, versucht es aber auszublenden." Mit einer Portion Fatalismus blickt Arnd Peiffer den Spielen entgegen. "Ich glaube, wenn jemand wirklich plant, etwas zu machen, dann wird es schwierig, das zu verhindern", sagt der Sprint-Weltmeister von 2011 im Biathlon: "Deswegen darf man nicht allzu sehr in Angst leben, weil man es ja ohnehin nicht verhindern kann."

Keine Sorgen macht sich dagegen Claudia Pechstein. "Zwischenfälle können überall auf der Welt passieren", sagt die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin. Sie bildet mit den Rodlern die Vorhut des 152 Sportler großen deutschen Aufgebots und bezieht bereits morgen Quartier im olympischen Dorf. "Ich habe 2002 Olympia in Salt Lake City nach dem Anschlag in New York am 11. September 2001 erlebt." Dort habe es Sicherheitsvorkehrungen wie nirgendwo zuvor gegeben. "Das wird auch in Russland nicht anders werden. Sotschi ist während Olympia der sicherste Ort der Welt", erwartet die 41-Jährige.

Auch Biathlon-Ass Andrea Henkel und Eishockey-Nationalspielerin Maritta Becker sind geprägt von den Winterspielen 2002. "Nach den Anschlägen vom 11. September waren die Sicherheitsbedenken größer", erinnert sich Henkel, Doppel-Olympiasiegerin von Salt Lake City, und fügt an: "Man kann vieles an Russland kritisieren, aber Terror ist kein geeignetes Mittel." Puckjägerin Becker reist zwar mit einem "unguten Gefühl" ans Schwarze Meer, fürchtet sich jedoch nicht. "Ich denke, in Sotschi wird die Sicherheit noch eine Stufe höher sein als 2002", sagt die 32-Jährige.

Dass Olympische Spiele für politische Zwecke und Terror missbraucht werden, verurteilt Claudia Bokel. "Es ist absolut falsch, Olympische Spiele für so etwas zu nutzen. Sie sind für mich ein Friedensfest, bei dem Sportler aller Nationen zusammen Sport treiben wollen", sagt die Vorsitzende der Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees. "Ich freue mich aber, dass es nun langsam losgeht. Ich habe keine Angst, dort hinzufliegen."

Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nimmt die Anschlagsdrohungen ernst. "Wir werden unser Team mit den entsprechenden Anleitungen vorbereiten und die Athleten sowie Betreuer sensibilisieren, wo sie sich bewegen dürfen und wo nicht", sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Sein Nachfolger als Chef des Deutschen Skiverbandes, Franz Steinle, versichert jedoch: "Die Sicherheitsfrage ist nicht das beherrschende Thema."

Der stellvertretende Chef de Mission, Bernhard Schwank, der seit Tagen vor Ort die Ankunft der deutschen Athleten vorbereitet, berichtet zwar von strengen Kontrollen, konnte bisher aber kein "übertriebenes Sicherheitsaufkommen" feststellen. "Ich sehe da keinen Unterschied zu den Sommerspielen in London", sagt Schwank.

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HintergrundRusslands Staatschef Wladimir Putin setzt bei der Sicherung der Olympischen Winterspiele in Sotschi auf militärische Abschreckung. Drohnen, Raketensysteme, Kriegsschiffe, Kampfjets und ein Rekord-Aufgebot an Sicherheitskräften sollen das Prestige-Projekt des Präsidenten vor Terror und Gewalt schützen. In einem Dschihadisten-Forum hat die islamistische Gruppe Wilajat Dagestan Gewaltakte bei Olympia angedroht. Ende Dezember war sie für zwei Selbstmord-Attentate in Wolgograd, rund 700 Kilometer nordöstlich von Sotschi, verantwortlich. Dort waren damals insgesamt 34 Menschen getötet worden. sid

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