Als Tarzan bei den Olympischen Spielen teilnahm

I. 1896 Athen: 241 Sportler aus 14 Ländern geben in neun Sportarten und 43 Wettbewerben den Startschuss zu den Olympischen Spielen der Neuzeit - 1503 Jahre, nachdem Kaiser Theodosius die antiken Spiele im Jahre 303 nach Christus verboten hatte, weil sie zu einem kommerziellen Spektakel für Berufssportler verkommen waren

I. 1896 Athen: 241 Sportler aus 14 Ländern geben in neun Sportarten und 43 Wettbewerben den Startschuss zu den Olympischen Spielen der Neuzeit - 1503 Jahre, nachdem Kaiser Theodosius die antiken Spiele im Jahre 303 nach Christus verboten hatte, weil sie zu einem kommerziellen Spektakel für Berufssportler verkommen waren. Erfolgreichster unter den nur männlichen Teilnehmern ist mit vier ersten Plätzen und einem dritten Rang im Turnen und Ringen der Berliner Goldschmied Carl Schuhmann. II. 1900 Paris: "Paris wird schöner und besser", versprach Pierre de Coubertin, der das Internationale Olympische Komitee (IOC) 1894 in der Pariser Sorbonne gegründet hatte. Es wird ein Debakel, weil die Spiele nur Teil der Weltausstellung sind und über 162 Tage gehen. Erstmals sind Frauen dabei, aber die Amerikanerin Margaret Abbott soll wegen der chaotischen Organisation bis zu ihrem Tod 1955 nicht erfahren haben, dass sie ein olympisches Golf-Turnier gewonnen hatte. III. 1904 St. Louis: Tabak-Weitspucken, Tonnenspringen, Stockfechten - St. Louis wird zur "Western-Olympiade". Ebenfalls Teil einer Weltausstellung und noch chaotischer als Paris, bringt die Mississippi-Metropole die junge olympische Pflanze in Verruf. Geblieben ist vor allem, dass erstmals Medaillen in Gold, Silber und Bronze vergeben werden.IV. 1908 London: In das neue Olympiastadion "White City" marschieren erstmals die teilnehmenden Nationen ein, deren Fahnen als Novum im Stadion wehen. Pizzabäcker Dorando Pietri wird zum Symbol für Marathon-Dramen: Er taumelt auf der Zielgeraden und wird disqualifiziert, weil ihm Sherlock Holmes-Autor Sir Arthur Doyle über die Ziellinie hilft. V. 1912 Stockholm: Erstmals sind Athleten aus allen fünf Kontinenten am Start, das Zielfoto, der Moderne Fünfkampf und die drei Reitdisziplinen Springen, Dressur und Military werden eingeführt. Schwedens König Gustav V. würdigt Fünf- und Zehnkampf-Sieger Jim Thorpe: "Sir, Sie sind der größte Athlet der Welt!" VI. 1916 Berlin: Nicht ausgetragen. VII. 1920 Antwerpen: Während Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei als Verursacher des 1. Weltkrieges ausgeschlossen sind, läuft Paavo Nurmi mit drei Siegen Finnland auf die Landkarte. Bei der Eröffnungsfeier wird der Olympische Eid eingeführt und erstmals die Olympische Flagge - weißer Untergrund als Symbol des Friedens mit den fünf Ringen in den Farben blau-gelb-schwarz-grün-rot für die fünf Kontinente - gehisst. VIII. 1924 Paris: 24 Jahre nach der Chaos-Olympiade rehabilitiert sich Paris mit gelungenen Spielen. Johnny Weissmueller legt mit drei Schwimm-Erfolgen den Grundstein für seine Filmkarriere als "Tarzan". Von der "Stunde des Siegers" künden erstmals Live-Übertragungen im Rundfunk. IX. 1928 Amsterdam: Deutschland ist zurück auf der olympischen Bühne und holt durch Lina Radke-Batschauer über 800 Meter eine der fünf Goldmedaillen, die in der nun endlich auch vertretenen Frauen-Leichtathletik vergeben werden. Amsterdam entzündet erstmals ein Olympisches Feuer und steht für den Anfang der Kommerzialisierung Olympias. Als erster Sponsor eines Teams (USA) tritt Coca auf. X. 1932 Los Angeles: Beim "Olympia der Rekorde" (39 Weltrekorde) schafft Eddie Tolan mit seinen Erfolgen über 100 und 200 Meter, zum ersten Mal mit elektronischer Zeitnahme und Zielkamera festgehalten, den Durchbruch farbiger Athleten bei Olympischen Spielen. Allerdings steht sein amerikanischer Landsmann Leo Sexton als Erster auf dem dreistufigen Siegerpodest, das in L.A. Premiere feiert. XI. 1936 Berlin: Die Nationalsozialisten missbrauchen Olympia zu einer gigantischen Propaganda-Schau, organisieren aber auch ein Fest nie dagewesener Perfektion und sportlichen Glanzes. Jesse Owens, der als Schwarzer überhaupt nicht ins Konzept der rassistischen deutschen Führung passt, wird mit seinen vier Goldmedaillen zur sportlichen Symbolfigur der Nazi-Olympiade. Und das vor laufenden Kameras: Das Fernsehen feiert in Berlin ebenso Premiere wie der olympische Fackellauf. XII. 1940 Tokio: Nicht ausgetragen. XIII. 1944 London: Nicht ausgetragen.XIV. 1948 London: Die "fliegende Hausfrau" Francina "Fanny" Blankers-Koen aus den Niederlanden drückt mit vier Sprint-Siegen den zweiten Londoner Spielen ihren Stempel auf. Während Deutschland und Japan als Verursacher des 2. Weltkrieges ausgeschlossen sind, nehmen erstmals kommunistische Länder an Olympischen Spielen teil. XV. 1952 Helsinki: Paavo Nurmi ist als Schlussläufer des Fackellaufes der umjubelte Held des Eröffnungstages, sein legitimer Nachfolger Emil Zatopek der Herrscher der Wettkampftage: Drei Mal Gold für die "Lokomotive aus Prag". Die Bundesrepublik Deutschland ist wieder dabei. Am Ende sind 24 Medaillen gewonnen, aber kein Gold.XVI. 1956 Melbourne (und Stockholm): Die gesamtdeutsche Mannschaft holt vier Mal Gold, so viel wie die Turnerinnen Agnes Keleti (Ungarn) und Larissa Latynina (UdSSR) für sich alleine. Der deutsche Olympia-Held von 1956 schreibt seine Geschichte in Stockholm: Springreiter Hans Günter Winkler gewinnt zwei Mal Gold. Die Reiterwettkämpfe sind wegen der strengen Quarantäne-Vorschriften Australiens in die schwedische Hauptstadt verlegt worden.XVII. 1960 Rom: Die antike Kulisse ist ein großartiger Schauplatz für die ersten echten Fernsehspiele, für die die Übertragungsrechte noch billig zu haben sind. Die ganze Welt ist live dabei, als der Äthiopier Abebe Bikila barfuß über die Via Appia zum Marathon-Sieg rennt oder Wilfried Dietrich, der "Kran von Schifferstadt", in den Caracalla-Thermen sein Gold erringt. Und im Boxring geht der Stern des "Größten" auf: Cassius Clay, der sich später Muhammad Ali nennt, gewinnt im Halbschwergewicht. XVIII. 1964 Tokio: Die ersten Spiele in Asien bedeuten für 28 Jahre das Ende der gesamtdeutschen Mannschaften: Das IOC lässt zwei deutsche Teams zu. Unvergessen bleibt, wie Willi Holdorf im 1500-Meter-Lauf fast bewusstlos ins Ziel taumelt und das Gold im Zehnkampf rettet.XIX. 1968 Mexiko-Stadt: Die Höhenlage von über 2200 Metern lässt in der Leichtathletik die Weltrekorde in den Schnellkraft-Disziplinen purzeln. Doch selbst der "Sprung ins nächste Jahrhundert", mit dem Bob Beamon (USA) den Weitsprung-Weltrekord um 55 Zentimeter auf 8,90 Meter verbessert, überlebt das Jahrhundert nicht. Dafür eine andere Mexiko-Kreation: Der "Flop", mit dem der Amerikaner Dick Fosbury den Hochsprung revolutioniert. XX. 1972 München: "The games must go on", ruft IOC-Präsident Avery Brundage einer erschütterten Welt bei der eindrucksvollen Trauerfeier für die zwölf Opfer des palästinensischen Terroranschlags auf das israelische Quartier im Olympischen Dorf zu. Doch die heiteren, beschwingten Spiele sind in Blut ertränkt. Mark Spitz drückt den Spielen sportlich seinen Stempel auf: Der Amerikaner fischt sieben Mal Gold aus dem Schwimmbecken.XXI. 1976 Montreal: Die Spiele stehen unter keinem guten Stern. In Kanada gerät Olympia endgültig in den Würgegriff der Politik. Dazu kommen Probleme beim Bau der Sportanlagen aus Geldmangel, noch heute müssen Schulden abbezahlt werden. XXII. 1980 Moskau: US-Präsident Jimmy Carter erreicht mit Beteiligung der Bundesrepublik einen westlichen Teilboykott - Briten, Franzosen, Spanier starten - als ohnmächtige Antwort auf die Besetzung Afghanistans durch sowjetische Truppen. So prägt der "Bruderkampf" zwischen der Sowjetunion und der DDR, den die Gastgeber klar gewinnen, den Sport. XXIII. 1984 Los Angeles: Geld und Gold: In Kalifornien erfüllt sich ein amerikanischer Traum. Die ersten frei finanzierten Spiele ergeben einen Überschuss und brechen für die Zukunft alle kommerziellen Dämme. Sportlich genießen die Amerikaner den "Goldrausch" bei 83 Siegen. Ihr größter Athlet ist Carl Lewis, der 100 Meter, 200 Meter, Sprintstaffel und Weitsprung gewinnt. XXIV. 1988 Seoul: Ben Johnson ist der erste ganz große Betrüger der olympischen Geschichte. Der Kanadier wird nach dem triumphalen 100-Meter-Sieg in 9,79 Sekunden des Dopings überführt, Goldmedaille und Weltrekord werden aberkannt. Die DDR verabschiedet sich mit 37 Siegen von Olympia, Schwimmerin Kristin Otto ist mit sechs Mal Gold erfolgreichste Teilnehmerin der Spiele. Die Bundesrepublik hält mit Steffi Graf dagegen, die nach dem Grand Slam auch das olympische Tennis-Turnier gewinnt. XXV. 1992 Barcelona: Die Olympische Bewegung war auch durch Boykotte nicht unterzukriegen. Alle 159 dem IOC angeschlossenen NOKs sind da. Der weißrussische Turner Witali Scherbo holt sechs Mal Gold. Das vereinigte Deutschland - mit grandiosen Siegern durch Heike Drechsler, Heike Henkel, Birgit Schmidt (später Fischer), Nicole Uphoff, Dieter Baumann oder Thomas Lange - muss erkennen, dass die Formel "1+1=2" nicht gilt: Mit 82 werden die 142 Medaillen, die die "doppelten Deutschen" vor vier Jahren gewannen, fast halbiert. XXVI. 1996 Atlanta: Großem Sport stehen ausufernder Kommerz, Organisationspannen und ein 17-tägiges Verkehrschaos gegenüber. Carl Lewis verabschiedet sich mit dem vierten Weitsprung-Sieg und der neunten Goldmedaille von der olympischen Bühne. Die USA gewinnen mit 44 Siegen vor Russland (26) und Deutschland (20).XXVII: 2000 Sydney: Die Australier haben mit den Spielen zur Jahrtausendwende Maßstäbe für ihre Nachfolger gesetzt: Erstklassige Wettkampfstätten, glänzende Organisation, überwältigende Gastfreundschaft. Die Amerikanerin Marion Jones ist mit drei Gold- und zwei Bronzemedaillen die große Siegerin - und wird nachträglich als eine der größten Betrügerinnen entlarvt. Ihr werden wegen Dopings alle Medaillen aberkannt. XXVIII: 2004 Athen: Wenig Atmosphäre in hervorragenden Arenen: Die Spiele in Athen haben nur wenige magische Momente. Im Mittelpunkt steht das Duell USA gegen China, das die Amerikaner mit 36 Goldmedaillen gewinnen (China 32). Das deutsche Team fällt auf den sechsten Rang zurück. Allerdings schiebt sich Birgit Fischer als beste Deutsche mit nun acht Mal Gold und vier Mal Silber auf den fünften Rang der erfolgreichsten Olympioniken überhaupt vor. Überschattet werden die Spiele von vielen Doping-Fällen. dpa

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