Tennis Im Eiltempo an die Weltspitze

London · Alexander Zverevs Sieg beim Saisonfinale in London soll eine Initialzündung sein. Die Tennis-Welt liegt ihm zu Füßen.

 Da ist er, der erste große Titel für Alexander Zverev. Nach seinem Sieg beim ATP-Finale in London steht er im Konfettiregen.

Da ist er, der erste große Titel für Alexander Zverev. Nach seinem Sieg beim ATP-Finale in London steht er im Konfettiregen.

Foto: dpa/John Walton

Der Champagner klebte noch in seinen Klamotten, die Lobeshymnen klangen unaufhörlich nach, da verließ Alexander Zverev bereits den Ort seines größten Triumphes. Am Montagmorgen um 9 Uhr startete ein Flieger, den er auf keinen Fall verpassen wollte. Von London ging es direkt in den Urlaub nach Dubai, in ein paar Tagen reist Zverev weiter auf die Malediven. Entspannung im Eiltempo ist sein Ziel, denn Zeit ist das einzige, was Zverev derzeit fehlt.

Hochachtung für sein sensationelles Saisonfinale mit den Siegen gegen Roger Federer im Halbfinale und Novak Djokovic im Endspiel der ATP-Finals bekommt Zverev, der bereits am 2. Dezember die Vorbereitung auf das neue Jahr beginnt, dagegen in Hülle und Fülle. „Auf diesen Moment hat die ganze Tenniswelt gewartet“, schwärmte Boris Becker, der deutsche Herren-Chef, von seinem rechtmäßigen Erben auf dem deutschen Tennis-Thron. Der dreimalige Sieger beim Turnier der Besten frohlockte: „Er ist durch diesen Triumph endgültig als Star angekommen. Er hat in einem Turnier erst Federer und danach Djokovic bezwungen und damit unter Beweis gestellt, dass er in der absoluten Weltspitze angelangt ist. Der Titel von London zeigt, dass er der Größte der neuen Generation ist.“

Auch Ulrich Klaus, der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes, war in Feierlaune. „Der gestrige Tag bildet den perfekten Abschluss eines fantastischen und historischen deutschen Tennisjahres 2018“, sagte Klaus in Anspielung auf den Wimbledon-Titel von Angelique Kerber im Sommer. „Im Turnier der besten Acht der Saison am Ende zu gewinnen, ist ein Ausrufezeichen und lässt auf ein starkes Jahr 2019 hoffen“, jubelte auch Deutschlands Davis-Cup-Chef Michael Kohlmann.

Zverev hatte im Endspiel Beckers ehemaligen Schützling Djokovic mit 6:4, 6:3 in nur 80 Minuten entzaubert und damit die Prophezeiung erfüllt, die ihn seit seiner Kindheit begleitet. Irgendwann, daran bestand kein Zweifel, wird dieser kleine Junge ein großes Turnier gewinnen und in Beckers riesige Fußstapfen treten. Im Alter von 21 Jahren und 212 Tagen hat Zverev die kühnsten Erwartungen bereits übertroffen. Selbst die der eigenen Familie.

Mit glasigen Augen versuchte Vater Alexander senior, seine Gefühle in Worte zu fassen. Der Sieg sei „der Wahnsinn“, sagte der frühere Tennisprofi, der für die Sowjetunion im Davis Cup spielte und seinen jüngsten Sohn, aber auch den älteren Bruder Mischa von klein auf zu einem Champion erzog. Für Alexander Zverev ist er der wahre Vater des Erfolgs in London – und nicht Ivan Lendl, der erst seit August zum Team gehört. „Er ist derjenige, der mir beigebracht hat, wie man Tennis spielt“, sagte Zverev: „Mein Vater verdient die meiste Anerkennung.“

Lendls Rolle im Familienunternehmen der Zverevs muss sich dagegen noch festigen. „Ich bin mit Alexander 50 Wochen im Jahr unterwegs, Ivan ist vielleicht zwölf Wochen dabei.“ Wer Berater und wer Chefcoach sei, soll jeder für sich entscheiden, sagte Zverev senior: „Ivan ist erst kurz bei uns, ich will nicht beurteilen, welchen Anteil er hat. Er macht seine Arbeit aber sehr gut.“

An der Analyse der klaren Vorrunden-Niederlage (4:6, 1:6) gegen Djokovic war der frühere Weltranglisten-Erste Lendl, der auch schon den Schotten Andy Murray zu großen Siegen führte, jedenfalls maßgeblich beteiligt. Gemeinsam mit Zverevs Vater tüftelte er den Matchplan für das Finale am späten Sonntagabend aus. Der griff perfekt, weil Zverev die nächste Stufe seiner Entwicklung innerhalb weniger Tage nahm. Schon der Sieg im Halbfinale gegen sein Idol Roger Federer mit allen unschönen Begleiterscheinungen beim Sieger-Interview war eine bestandene Reifeprüfung.

Der Durchbruch bei den Grand-Slam-Turnieren, da ist sich zumindest Djokovic sicher, wird kommen, „die Qualität dazu hat er schon lange“, sagte der Serbe: „Es gibt keinen Zweifel, dass er einer der großen Favoriten bei jedem Slam ist.“ Starke Worte, die Zverev vor seinem langersehnten Urlaub gar nicht so gerne hörte. „Die anderen gewinnen doch alle Grand Slams. Sie sind noch immer die Besten der Welt“, sagte er. In der Tat ist seine eigene Grand-Slam-Bilanz mehr als ausbaufähig. Erst ein einziges Mal in seiner gesamten Karriere stand Zverev bisher in einem Major-Viertelfinale (2018 bei den French Open), ansonsten scheiterte er immer vorzeitig.

 Faire Gratulation nach dem Finale: Der Serbe Novak Djokovic (links) beglückwünscht Alexander Zverev zum Sieg und WM-Titel.

Faire Gratulation nach dem Finale: Der Serbe Novak Djokovic (links) beglückwünscht Alexander Zverev zum Sieg und WM-Titel.

Foto: dpa/Tim Ireland

In der kurzen Vorbereitungsphase, zunächst im Club 39 in seiner Wahlheimat Monte Carlo, dann im australischen Sommer, will Zve­rev nun die Voraussetzungen für Teil zwei der Wachablösung schaffen. Zuvor steht jedoch Erholung auf dem Stundenplan. Im Eiltempo. Denn Zeit auf seinem Weg an die Weltspitze will sich Zverev, die Nummer vier der Weltrangliste hinter Djokovic, Rafael Nadal und Federer, nicht lassen.

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