Akzeptanz für Verletzungen an der Seele

Hannover. Robert Enke wusste keinen Ausweg mehr. Zwei Jahre ist es her, dass sich der Nationaltorhüter vor einen Zug warf. Besiegt von einem unsichtbaren Feind: Depressionen. Das Fußball-Geschäft würde nie wieder dasselbe sein. Das war das Gefühl in dieser von Trauer erfüllten Nacht vom 10. November 2009. Mittlerweile keimt die Hoffnung, dass Enkes Tod auch etwas Positives bewirkt hat

Hannover. Robert Enke wusste keinen Ausweg mehr. Zwei Jahre ist es her, dass sich der Nationaltorhüter vor einen Zug warf. Besiegt von einem unsichtbaren Feind: Depressionen. Das Fußball-Geschäft würde nie wieder dasselbe sein. Das war das Gefühl in dieser von Trauer erfüllten Nacht vom 10. November 2009.Mittlerweile keimt die Hoffnung, dass Enkes Tod auch etwas Positives bewirkt hat. "Wir haben eine größere Akzeptanz, ein Bewusstsein für die Krankheit geschaffen", sagt Martin Kind, Präsident von Enkes Club Hannover 96. Jan Baßler, Geschäftsführer der Robert-Enke-Stiftung, glaubt, allein die Tatsache, dass in der Öffentlichkeit über seelische Erkrankungen und Belastungen im Leistungssport diskutiert wird, sei ein Fortschritt: "Der Umgang mit dem Thema Depression hat sich sicher verändert, die Sensibilität, auch bei den Medien, ist geschärft. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg." Zuletzt hatten unter anderem Ralf Rangnick, Markus Miller, Martin Fenin und Michael Sternkopf öffentlich gemacht, dass sie unter mentaler Erschöpfung leiden.

Doch längst nicht alle Betroffenen sprechen offen über ihre Verletzungen an der Seele - aus Angst, Schwäche zu zeigen in einem Geschäft, in dem nur die Stärksten erfolgreich sind. Frank Schneider, Direktor für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Uniklinik Aachen, sagt: "Wir haben noch immer Patienten, die unter einem anderen Namen geführt werden." Aufklärungsarbeit, wie er sie als Kuratoriums-Mitglied der Robert-Enke-Stiftung betreibt, hält Schneider für unabdingbar: "Die Leute müssen verstehen, dass eine Depression sehr gut behandelbar ist, wie eine Grippe." Viele Sportler würden nicht zu ihrer Erkrankung stehen. "Bei ihnen ist es dann halt die Achillessehne. . . ", sagt er.

Einen völlig normalen Umgang mit mentalen Problemen wird es im Spitzensport nie geben, glaubt Baßler: "Im Leistungssport wird es nie zu einer vollkommenen Enttabuisierung kommen."

Auch Ex-Profi Andreas Biermann litt unter Depressionen. Enkes Tod hat ihm vermutlich das Leben gerettet. Dass er krank war, hat er erst bemerkt, als Teresa Enke die Krankheit ihres Mannes öffentlich machte. Da hatte er schon einen Selbstmordversuch hinter sich. Die Angst, "Enkes Geschichte hätte meine sein können", hat ihn dazu gebracht, über seine Depressionen zu berichten. Heute sagt er über seine Entscheidung: "Menschlich war es der einzig richtige Schritt. Beruflich hingegen bereue ich mein Bekenntnis, ich habe dadurch meinen Job verloren. Für meine Familie war das dramatisch." Beim FC St. Pauli wurde sein auslaufender Vertrag nicht verlängert, andere Clubs lehnten eine Verpflichtung Biermanns ab.

Hannover 96 wird seinem Ex- Kapitän Enke heute in aller Stille gedenken. "Wir werden am Grab einen Kranz niederlegen", sagt Kind. Darüber hinaus hat 96 mit der Robert-Enke-Stiftung die Clubs der ersten und zweiten Liga aufgerufen, im Internet auf ihren Facebook-Seiten ein Diskussionsforum zum Thema zu schalten. Fans wollen sich um 18 Uhr in Hannover zu einem Gedenkmarsch zum Stadion treffen. sid

Foto: kneffel/dpa

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