Fußball-WM in Russland Afrika findet den Anschluss einfach nicht

Samara · Auch bei dieser WM hinkten die Mannschaften vom Schwarzen Kontinent hinterher und verpassten erstmals seit 36 Jahren allesamt das Achtelfinale. Als letztes Team schied der Senegal nach einem kuriosen Fair-Play-Entscheid aus.

 Was tun, sprach Zeus: Gegen das Ausscheiden seiner Mannschaft war auch Senegals Trainer Aliou Cissé machtlos. Auch die anderen fünf Teilnehmer aus Afrika verpassten die Runde der letzten 16.

Was tun, sprach Zeus: Gegen das Ausscheiden seiner Mannschaft war auch Senegals Trainer Aliou Cissé machtlos. Auch die anderen fünf Teilnehmer aus Afrika verpassten die Runde der letzten 16.

Foto: dpa/Natacha Pisarenko

Mit ihrem Aufwärmtänzchen sorgten die Senegalesen für mächtig gute Laune bei der WM, doch jetzt hat es sich ausgetanzt – und zwar für ganz Afrika. Der Schwarze Kontinent trauert nach Senegals dramatischem Vorrunden-K.o. durch die Fair-Play-Wertung um seine letzte Hoffnung aufs Achtelfinale und sucht verzweifelt nach Gründen für eine historische Schmach. Erstmals seit 36 Jahren sind alle afrikanischen Teams in der Vorrunde gescheitert.

„Ein großer Rückschlag“ sei das, sagte der frühere Stürmerstar Didier Drogba von der Elfenbeinküste: „Afrika wird eines Tages sehr erfolgreich sein. Aber wir müssen wieder einmal darüber nachdenken, wie wir die großen Wettbewerbe besser meistern können.“

Senegal war nicht zufällig von allen fünf afrikanischen Startern  dem Achtelfinale am nächsten, doch nach dem 0:1 (0:0) in Samara gegen Kolumbien sorgte eine WM-Premiere für das Aus der Löwen: Die Fair-Play-Wertung entschied für die punkt- und torgleichen Japaner. Zwei Gelbe Karten mehr brachten Senegal um die Chance auf eine Wiederholung des WM-Märchens von 2002, als das Team sogar bis ins Viertelfinale kam. „Das ist bitter, aber so ist die Regel“, sagte Nationaltrainer Aliou Cissé, selbst ein Held der 2002er-Generation.

Und während sofort die Diskussion darüber begann, ob diese Regel denn wirklich fair ist, zeigte der Betroffene selbst Größe und Sportgeist. „Das sind nun einmal die Regeln des Spiels. Das wussten wir alle vorher. Der Senegal ist nicht weiter, weil es der Senegal nicht verdient hat“, meinte Cissé. Er sieht die Lücke zu Europa und Südamerika nicht so groß, wie es die Statistik vermuten lässt: „Ich habe mir auch andere Spiele angeschaut. Und denke nicht, dass wir uns für unseren Fußball schämen müssen.“ Während des Turniers hatte Cissé betont, Länder wie Senegal oder Nigeria seien „irgendwann in der Lage, Weltmeister zu werden“.

Das sagen Experten schon seit vielen Jahren – aber der Schwarze Kontinent hält sein Versprechen nicht. Physisch sind die Spieler überragend, fast alle werden bei europäischen Clubs technisch und taktisch auf höchstem Niveau geschult. Ägyptens Mohamed Salah und Senegals Sadio Mané hatten zum Beispiel unter Jürgen Klopp einen riesigen Anteil daran, dass der FC Liverpool das Champions-League-Finale gegen Real Madrid erreichte. Woran liegt es also? „Es ist enormer Druck auf unseren Schultern, wir repräsentieren Afrika, die arabische Welt und zwölf Millionen Tunesier“, sagte Tunesiens Trainer Nabil Maaloul.

Die Teams haben Fortschritte gemacht, auch bei Umfeld und Organisation. In der Vergangenheit waren Berichte über Prämienstreitereien oder Planungschaos fester Bestandteil einer WM, in Russland gab es nichts dergleichen. Und doch sieht Nigerias Trainer Gernot Rohr genau darin noch den Hauptunterschied zu den großen Fußball-Nationen: „In Sachen Organisation und Disziplin bestehen erhebliche Defizite, die man nicht von heute auf morgen aufholen kann. Das ist auch eine Frage der Mentalität.“

Drogba sieht das Problem eher in den „Strukturen der Teams“, da müsse man sich an Europa und Südamerika orientieren. Senegal spielte während der WM fast wie ein europäisches Team, taktisch meist sehr diszipliniert. Aber in den entscheidenden Momenten fehlte es den Afrikanern an Durchschlagskraft. Und auch an Konzentration.

Bezeichnend dafür ist eine kuriose Szene gegen Kolumbien beim Gegentor durch Yerry Mina (73.), die im Internet für viele Lacher sorgte. Idrissa Gueye lehnt bei der Ecke lässig am linken Torpfosten, die Arme sorglos in die Seiten gestemmt. Auch als der Ball in den Strafraum segelt und Mina ihn wuchtig Richtung Tor köpft, rührt sich der Senegalese nicht. Der Ball schlägt einen Meter neben ihm im Tor ein – und Gueye lehnt noch immer am Pfosten. Dazu kamen teils unerklärliche Aussetzer anderer afrikanische Spieler. So sagte Marokkos Trainer Hervé Renard nach dem kuriosen Eigentor von Aziz Bouhaddouz (FC St. Pauli) gegen den Iran (0:1): „Wir haben uns selbst gekreuzigt.“

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