Ägypten geht ein Lichtlein auf

Doha · Die deutschen Handballer schwimmen bei der Weltmeisterschaft in Katar weiter auf einer Erfolgswelle. Im Achtelfinale besiegten sie Ägypten und sind nur noch einen Erfolg von der Medaillenrunde entfernt.

Carsten Lichtlein rannte nach seiner Weltklasseleistung singend durch die Katakomben der Lusail-Hall, seine Mitspieler führten gemeinsam einen wilden Freudentanz auf: Die deutschen Handballer haben ihrem Wintermärchen in der Wüste ein weiteres Erfolgskapitel hinzugefügt und dürfen nach dem 23:16 (12:8) im WM-Achtelfinale gegen Ägypten dank ihres sensationell agierenden Schlussmanns vom ganz großen Wurf träumen. "Wenn wir so eine Torhüter- und Abwehrleistung wieder hinbekommen, ist alles möglich", sagte Trainer Dagur Sigurdsson, der nach der beeindruckenden Vorstellung gegen den fünfmaligen Afrikameister sichtlich zufrieden auf seiner Bank saß.

56 Prozent aller auf sein Tor abgefeuerten Würfe parierte Lichtlein und trieb die Ägypter damit zur Verzweiflung. "Das war eine einmalige Leistung. Er hat das Tor zugemauert", stellte Bernhard Bauer anerkennend fest. Der Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) zollte aber auch den anderen Spieler des jungen deutschen Teams ein dickes Lob: "Das war ein Auftritt im Stile eines Klasseteams. Die Mannschaft hat im Hexenkessel die Nerven behalten." Sein Vize Bob Hanning stellte stolz fest: "Wir sind zurück in der Weltspitze."

Dem Gummersbacher Lichtlein war das Lob fast schon ein bisschen peinlich. Minuten nach Spielende machten sogar die ägyptischen Fans Erinnerungsfotos mit dem 34-Jährigen nach einem denkwürdigen Abend. "Man muss auch die Ruhe und Gelassenheit haben, um einfach auch mal stehen zu bleiben", sagte Lichtlein, nachdem er zum Spieler des Spiels ausgezeichnet worden war. Seine Gedanken kreisten schon um das Viertelfinale gegen Katar morgen um 16.30 Uhr. "Ich will 2016 zu Olympia nach Rio. Mit einem Sieg gegen Katar hätten wir die Teilnahme an einem Olympia-Qualifikationsturnier sicher", sagte Lichtlein.

Deutschland hatte nur in der Anfangsphase leichte Probleme. Die Ägypter gingen vor 10 000 Zuschauern sehr hart zu Werke und versuchten, dem Favoriten den Schneid abzukaufen. Steffen Weinhold sorgte mit dem ersten Tor nach 4:45 Minuten für Ruhe. Die deutsche 5:1-Abwehr agierte äußerst aufmerksam, dahinter glänzte Lichtlein. Zehn Paraden, drei abgewehrte Siebenmeter - der Gummersbacher war schon im ersten Durchgang der Turm in der Schlacht. Nach dem Wechsel das gleiche Bild: Lichtlein hielt, der Angriff traf und Deutschland führte in der 37. Minute mit 17:8. Sigurdsson verfolgte das Spielgeschehen mit entspanntem Gesichtsausdruck, während die Ägypter vor den Augen des Emirs von Katar die Köpfe hängen ließen.Die Stars in den katarischen Trikots hüpften nach dem Abpfiff ausgelassen über das Spielfeld und feierten ihren Viertelfinalzug bei der Handball-WM mit La Ola, da braute sich in den Katakomben das Unheil zusammen. "Ich glaube, Katar wird Weltmeister", sagte Patrekur Johanesson, Teamchef der unterlegenen Österreicher, mit ernstem Gesichtsausdruck und voller Sarkasmus - und brachte die allgemeine Stimmungslage auf den Punkt.

Die zusammengekaufte Multi-Kulti-Truppe des Gastgebers hatte beim hart erkämpften 29:27 spielerisch keineswegs überzeugt, und die bizarren Begleitumstände des Erfolgs sorgten für einen faden Beigeschmack. Die Österreicher witterten eine Verschwörung und übten scharfe Kritik an der Schiedsrichterleistung.

"Ich habe noch nie in meinem Leben eine Halbzeit erlebt, in der es so viele Offensivfouls gegeben hat", monierte Kapitän Viktor Szilagyi vom Bundesligisten Bergischen HC. Nach der österreichischen Halbzeitführung habe das kroatische Schiedsrichtergespann plötzlich seine Linie geändert. Szilagyi nährte den Verdacht, das katarische Team werde bei der WM im eigenen Land bevorteilt. Das Viertelfinale morgen gegen Deutschland (16.30 Uhr/Sky) dürfte somit unter strengster Beobachtung stehen.

Während sich Österreichs Teamchef Johanesson lieber nicht zur Leistung der Unparteiischen äußern wollte, nahm der Lemgoer Torhüter Thomas Bauer kein Blatt vor den Mund. Direkt nach dem Schlusspfiff stürmte er auf Boris Milosevic und Matija Gubica zu und geigte ihnen lautstark seine Meinung. "Ich hab ihnen nur mitgeteilt, dass sie zu Beginn die besten Schiedsrichter des Turniers waren - und nach den letzten fünf Minuten das Gegenteil", sagte Bauer.

Die Hausherren feierten unterdessen den größten Erfolg in der Geschichte des katarischen Handballs. "Die Menschen hier und die Regierung haben diesen Sieg verdient", sagte der spanische Startrainer Valero Rivera. Seine Mannschaft, in der gerade einmal vier gebürtige Katarer spielen, schaffte als erstes asiatisches Team nach Südkorea den Einzug in die Runde der letzten Acht - und dort soll noch lange nicht Schluss sein. Top-Torschütze Zarko Markovic versprach: "Wir können noch mehr."

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