Fußball-WM in Russland Achterbahnfahrt mit kroosartigem Ende

Watutinki/Sotschi · Ein Traumtor von Toni Kroos verhindert das vorzeitige Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Russland. Bei einem Sieg mit zwei Toren Unterschied gegen Südkorea am Mittwoch wäre der Achtelfinaleinzug perfekt.

 Ohne diese beiden wäre der Weltmeister am Samstag ausgeschieden: Marco Reus (links), der das 1:1 erzielte, bejubelt mit Toni Kroos dessen Traumtor in allerletzter Minute zum 2:1-Sieg gegen Schweden.

Ohne diese beiden wäre der Weltmeister am Samstag ausgeschieden: Marco Reus (links), der das 1:1 erzielte, bejubelt mit Toni Kroos dessen Traumtor in allerletzter Minute zum 2:1-Sieg gegen Schweden.

Foto: dpa/Ye Pingfan

Kunstschütze Toni Kroos und die anderen aufgewühlten Weltmeister fanden nach der Gefühlsexplosion von Sotschi Ruhe im Kreise ihrer Lieben. Beim Ausspannen mit Freundinnen und Familien am Tag nach dem Kraftakt im WM-Schicksalsspiel gegen Schweden und den Rest der Welt schwor sich der Titelverteidiger auf sein großes Ziel ein. "Das kann ein entscheidender Wendepunkt sein – jetzt sind wir im Turnier. Die Schmetterlinge fliegen natürlich jetzt", sagte Thomas Müller nach dem 2:1 (0:1) gegen die Skandinavier und behauptete: "Möglich ist alles, vom worst case bis zum Höchsten der Gefühle." Kapitän Manuel Neuer betonte: "So, wie wir zusammen gefeiert haben am Schluss, das wird eine Wirkung haben."

Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff sieht die glücklichen Sieger "im Turnier angekommen", wie er nach der Rückkehr ins WM-Quartier von Watutinki sagte. Nach einem von Blitz und Donner begleiteten Flug trafen die müden Spieler dort am Sonntagmorgen um 4.15 Uhr ein. Kroos, der dem Weltmeister mit seinem Geniestreich (90.+5) in Unterzahl das "nächste Endspiel" am Mittwoch gegen Südkorea bescherte, rief von einer Zentnerlast befreit: "Wir leben noch!" Man müsse erst mal "die Eier haben, um so zurückzukommen", ergänzte der Matchwinner, "so ein später Sieg kann einen Push geben für die ganze WM."

Darauf hofft Bundestrainer Joachim Löw, darauf hofft auch Reinhard Grindel. "Ich glaube, dass solch ein Erlebnis Kräfte freisetzt", sagte der DFB-Präsident nach dem "Krimi voller Emotionen" (Löw). Der starke Timo Werner, dem beim Siegtreffer auf dem Platz "fast die Tränen" gekommen waren, meinte: "Es war große Erleichterung in der Kabine. Jeder, der reingekommen ist, hat geschrien. Wenn wir diese Steilvorlage nicht annehmen und damit durchs Turnier reiten, dann hat dieses ganze Spiel nichts genutzt."

Ein Sieg mit zwei Toren Differenz in Kasan gegen die punktlosen Koreaner würde den sicheren Einzug ins Achtelfinale bedeuten. Doch bei einem knapperen Erfolg könnte die Mannschaft sogar noch das in Sotschi zunächst abgewendete, historische Vorrunden-Aus ereilen. Angst davor ist aber nicht (mehr) zu spüren, auch wenn die DFB-Elf "noch viel Luft nach oben" hat, wie Marco Reus betonte. Der Dortmunder gab nach dem Rückstand durch den Treffer von Ola Toivonen (32.), dem ein Fehlpass von Kroos vorausgegangen war, mit seinem Ausgleichstreffer (48.) das Signal zur Wende. Löw hatte daran mit einer lauten Halbzeitansprache großen Anteil. Was folgte, war "bis zum Schluss Dramatik pur" (Löw). Nach dem erlösenden Schlusspfiff fiel der Bundestrainer seinen Assistenten und Bierhoff in die Arme.

"Jogi Löw hat Veränderungen vorgenommen, die sich alle als richtig erwiesen haben", lobte Grindel dessen Mut, Säulen wie Mesut Özil und Sami Khedira aus der Startelf zu nehmen. Während Löw betonte, beide Weltmeister würden "noch gebraucht", stellten diese ihr Ego zurück. "Es geht ums Kollektiv, nicht um einzelne Spieler", sagte Khedira. Özil twitterte: "Wir sind ein Team, auf und außerhalb des Platzes. Egal, was sie sagen." Da schwang Enttäuschung, ja Trotz mit angesichts der herben Kritik nach der Mexiko-Pleite (0:1). Grindel appellierte: "Wir müssen aufhören, alles schlecht zu reden!" Kroos verstieg sich von Reus gestützt zu der These: "Viele Leute in Deutschland hätte es gefreut, wenn wir rausgegangen wären." Die Mannschaft bekomme "keine Hilfe", ergänzte er fast beleidigt, "es wird uns keiner zum Titel schreiben, das muss von uns kommen."

Ist die DFB-Auswahl dafür stark genug? "Wir haben deutlich besser gespielt, da war Zug drin", sagte Grindel. Kroos sah in der zweiten Halbzeit "sehr guten Fußball" der deutschen Elf. Doch Zweifel bleiben. Südkorea, warnte Reus, "ist keine Mannschaft, die du mal eben weghaust, da müssen wir genauso energiegeladen spielen". Abwehrchef Jérôme Boateng (Gelb-Rot) wird gesperrt fehlen. Mats Hummels (Halswirbelprobleme) und Sebastian Rudy, der sich gegen Schweden früh einen Nasenbeinbruch zuzog und vom schwachen Ilkay Gündogan ersetzt wurde, stehen wohl bereit. "Die Klasse wird's hoffentlich richten", sagte Kroos.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort