Kellerkinder der Bundesliga sind historisch schlecht Schneckenrennen im „Abstiegskrampf“

Berlin · Seit Gründung der Fußball-Bundesliga 1963 waren die Abstiegskandidaten noch nie so schlecht wie in dieser Saison.

 Nürnbergs Christian Mathenia hat seit Ende September und 17 Spielen keinen Sieg mehr erlebt. Und trotzdem kann der Club noch drinbleiben. „Ich glaube, das gab es in der Bundesliga noch nie“, staunt der Schlussmann.

Nürnbergs Christian Mathenia hat seit Ende September und 17 Spielen keinen Sieg mehr erlebt. Und trotzdem kann der Club noch drinbleiben. „Ich glaube, das gab es in der Bundesliga noch nie“, staunt der Schlussmann.

Foto: dpa/Marius Becker

Die Mannschaften im Keller der Fußball-Bundesliga sind so schlecht wie nie zuvor, der Abstiegskampf ist ein Abstiegskrampf. Selbst das Schlusslicht 1. FC Nürnberg (seit 17 Saisonspielen ohne Sieg!) ist mit seiner unsäglichen Bilanz von 13 Punkten aus 23 Spielen noch nicht abgeschlagen – ja, es besitzt sogar eine realistische Chance, sich direkt auf den 15. Tabellenplatz zu retten.

Nächster Nackenschlag für den Club ist die Verletzung von Stürmer Adam Zrelak (24), der Slowake hat sich im Training am Mittwoch einen Kreuzbandriss im rechten Knie zugezogen. Aber trotz allem: Aufgeben also gilt nicht, so hart die Nackenschläge auch sein mögen. „Das Gute ist, dass die anderen da unten auch verlieren“, sagt beispielsweise Trainer Thomas Doll von Hannover 96, der das Spiel seiner neuen Mannschaft derzeit phasenweise erschüttert verfolgt. „Es ist noch alles drin.“

Und gerade dies ist erstaunlich. Nach 23 Spieltagen bringen es die letzten Vier, der FC Augsburg (18), der VfB Stuttgart (16), Hannover (14) und Nürnberg (13) gemeinsam gerade mal auf 61 Punkte. In den 55 Bundesliga-Jahren zuvor war die Zwischenbilanz des Kellerquartetts nach 23 Spieltagen nie so schlecht. Wahrscheinlich wird die historische Tiefstmarke von 27 Punkten, mit denen sich der Hamburger SV 2013/14 in die Relegation rettete, unterboten.

Besonders deutlich wird die ungewöhnliche Situation am Beispiel Hannover. Die Niedersachsen haben nur zwei Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz, auf dem derzeit der VfB steht, der Gegner von Sonntag (15.30 Uhr/Sky). Mit einem Sieg und nur 17 Punkten könnte 96 den Abstieg also wieder aus eigener Kraft verhindern. In früheren Jahren hätte man nach 23 Spieltagen mit einer solch schwachen Ausbeute kaum noch eine Chance gehabt.

Wie tief die Kellerkinder im Vergleich zu früheren Jahren gesunken sind, zeigt auch das Beispiel FC Schalke 04. Der Champions-League-Achtelfinalist hat als 14. nach 23 Spieltagen 23 Zähler auf dem Konto – so wenig wie seit dem Abstiegsjahr 1983 nicht mehr. Dennoch sprechen selbst die größten Pessimisten des Klubs nicht vom Absturz in die 2. Liga, da das Polster mit sieben Punkten auf den Relegationsplatz immer noch recht komfortabel ist.

Der FC Augsburg, der am Freitagabend Tabellenführer Borussia Dortmund empfängt und als einziges Kellerkind noch nicht den Trainer gewechselt hat, stand selbst in seiner schwächsten Bundesliga-Saison 2012/13 mit ebenfalls 18 Punkten einen Platz schlechter da. Hoffnung macht nach einem Sieg in den vergangenen 14 Spielen trotz wöchentlicher Appelle auch nicht die eigene Leistung. Es bleibt der bange Blick: Patzt die Konkurrenz wieder – wie beinahe immer?

Seit der Wiedereinführung der Relegation zur Saison 2008/09 schwankt die Punktausbeute der Kellerkinder. Nimmt man die Punktzahl von Platz 17, wurden 2011 und 2015 35 Punkte zum Erreichen von Platz 16 benötigt. Ansonsten reichten deutlich weniger Punkte für die Relegation. 2014 rettete sich der Hamburger SV mit dem Tiefstwert von 27 Punkten erst in die Relegation und dann vor dem Abstieg. Zumindest noch für vier Jahre.

Dementsprechend stammt auch der Minuswert für den direkten Klassenverbleib – also für Platz 15 – aus dem Jahr 2014. Mit 28 Punkten wäre jeder Klub theoretisch gerettet gewesen. Im Schnitt waren seit der Spielzeit 2008/09 nur 33,7 Zähler zur direkten Rettung nötig. Eins wird also auch klar: Die alte Losung vieler Trainer, man brauche die magischen 40 Punkte für den Klassenverbleib, hat längst ausgedient. Hertha BSC war 2014 mit 41 Punkten Elfter und vollkommen sorglos.

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