Absteiger gehen mit erhobenem Haupt

Freiburg · Nach sechs Jahren Erstklassigkeit hat es den SC Freiburg wieder erwischt. Am Ende einer „total grotesken Saison“ steigen die Breisgauer ab. Jetzt folgt ein Umbruch – zumindest Kulttrainer Christian Streich aber bleibt.

Den Inhalt ihrer Spinde in blauen Müllsäcken verstaut, verließen die Absteiger mit gesenkten Köpfen das Schwarzwald-Stadion. Für einige Leistungsträger des SC Freiburg wie Jonathan Schmid, die Schweizer Nationalspieler Roman Bürki und Admir Mehmedi oder Nils Petersen wird es wohl ein endgültiges Adé sein.

Mit deutlich reduziertem Etat geht es für den Sportclub nach dem vierten Abstieg aus der Fußball-Bundesliga darum, "die Abwägung zu treffen, wen können wir mitnehmen, wen brauchen wir unbedingt nächstes Jahr. Auf der anderen Seite, welche Einnahmen können wir generieren, das ist auch nicht unwichtig", sagte Sportvorstand Jochen Saier.

Die entscheidende Konstante in Südbaden bleibt der Trainer: Christian Streich ließ nach dem bitteren 1:2 (0:1) bei Hannover 96 keinen Zweifel daran, seinen Vertrag in Freiburg erfüllen zu wollen. Gar entrüstet reagierte er auf Fragen, ob er den Club womöglich vorzeitig verlasse. "Ich habe dem Verein so viel zu verdanken. Wie sollte ich jetzt hingehen und sagen: Ich höre auf. Das ist unglaublich", kommentierte der Trainer, der beim SC einen langfristigen Vertrag hat.

Illusionen machte sich Streich keine: "Jetzt gibt's einen Umbruch. Es wird schwer in der 2. Liga, die ist sehr gut." Unmittelbar nach dem Sturz von Platz 14 auf 17 wollte Freiburgs Kulttrainer seine bemerkenswerte Contenance gerade erklären, da übermannten ihn doch noch die Tränen. "Die Fassungslosigkeit und die Trauer kommen nie in diesem Moment. Das wird eine schlimme, schlimme Woche", referierte der 49-Jährige, ehe ein heftiges Schluchzen seine Ausführungen unterbrach.

Bemerkenswert lange hatte der langjährige SC-Trainer am Samstagabend die Haltung bewahrt. Gefasst und zuversichtlich wirkte Streich, als er seine völlig aufgelösten Spieler in den Arm nahm. Ähnlich war die Stimmung bei den Anhängern: Am späten Samstagabend empfingen rund 30 Fans den Absteiger bei seiner Rückkehr in Freiburg mit Applaus.

Nach einer "total grotesken Saison" überwog bei Streich und seinem Team das Gefühl, einen völlig unnötigen Abstieg erlebt zu haben. "Die einen sagen: Zu viel liegen gelassen", erklärte Streich. Zwölf Punkte in sechs Spielen hat der SC 2014/2015 kurz vor Schluss hergeschenkt. Mit diesen Zählern auf dem Konto hätte der Sportclub die Saison in Reichweite zu den Europa-Rängen beschlossen.

Hätte, wäre, wenn und aber - mit erhobenem Haupt hat sich der SC Freiburg verabschiedet. Gleiches gilt für den SC Paderborn. "Wir haben in Fußball-Deutschland einen absolut sympathischen Eindruck hinterlassen und Paderborn bestens vertreten", bilanzierte SCPräsident Wilfried Finke und lobte seine Spieler: "Es war mir eine Ehre, in diesem Jahr Präsident des Vereins zu sein."

Erleichterung, aber keine überschwängliche Freude herrschte dagegen beim Hamburger SV . Trainer Bruno Labbadia ging bereits kurz nach dem 2:0 gegen den desolaten FC Schalke 04 in den Angriffsmodus über. "Wir brauchen noch zwei Kraftakte, aber ab jetzt sind wir nicht mehr von anderen abhängig", sagte Labbadia vor den Relegationsspielen gegen den Zweitliga-Dritten Karlsruher SC am Donnerstag und am 1. Juni (jeweils 20.30 Uhr/ARD ). In der Vorbereitung reist der HSV erneut in die Sportschule nach Malente in Ostholstein. "Das ist für uns wie eine Burg", sagte Labbadia: "Dass wir Ruhe haben, ist ein sehr entscheidender Punkt." Der VfB Stuttgart sortiert sich nach dem knapp abgewendeten Abstieg neu. Alexander Zorniger, der frühere Trainer des Zweitligisten RB Leipzig, ist Nachfolger von Huub Stevens und erhält beim Fußball-Bundesligisten einen Dreijahresvertrag. "Wir sind zu 100 Prozent davon überzeugt, dass er keinen großen Anlauf braucht, um unser Konzept umzusetzen", sagte Sportvorstand Robin Dutt gestern.

In den fünf Monaten von Dutts Amtszeit hatte der VfB durch das 2:1 beim SC Paderborn am letzten Spieltag den Klassenverbleib geschafft. "Wir sind am Samstag nochmal von der Schippe gesprungen. Das heißt nicht, dass wir die Intensivstation schon verlassen haben", stellte Dutt fest und attestierte dem scheidenden Trainer Huub Stevens Zeit herausragende Arbeit: "Schalke 04 hatte mit ihm einen Jahrhunderttrainer - vielleicht hat der VfB Stuttgart jetzt ja einen Jahrhundert-Retter." Der "Knurrer aus Kerkrade" verabschiedete sich in den Urlaub: "Wenn ich einige Tage abgeschaltet habe, dann kann ich meine Geschichte erzählen."

Zorniger, der am 29. Juni offiziell vorgestellt wird, werden Co-Trainer André Trulsen (zuletzt Assistent beim 1. FC Köln) und als neuer Teampsychologe Philipp Laux zur Seite stehen. Teammanager wird Ex-Profi Günther Schäfer. Angesichts klammer Finanzen wird Zorniger auch mit einem anderen Kader arbeiten. Nationalspieler Antonio Rüdiger könnte laut "Stuttgarter Zeitung" den Verein für eine achtstellige Ablöse verlassen. Als erster Neuzugang steht Philip Heise vom 1. FC Heidenheim fest. Zudem kommt Kevin Stöger aus Kaiserslautern zurück.