Abschiedsparty im Berliner Ring Komplettes Leichtathletik-WM-Team macht Station in Kienbaum

Neubrandenburg. Ihr letztes WM-Ticket ist ein Freifahrtschein für den Berliner Ring. Wenn Deutschlands Diskuswurf-Seniorin Franka Dietzsch am Abend des 21. August im Olympiastadion ihre Abschiedsvorstellung bei der Leichtathletik-WM gibt, wird sich Wehmut mit Freude über ein rekordträchtiges Jubiläum mischen. "Meine zehnte WM - das hat in Deutschland noch keiner geschafft

Neubrandenburg. Ihr letztes WM-Ticket ist ein Freifahrtschein für den Berliner Ring. Wenn Deutschlands Diskuswurf-Seniorin Franka Dietzsch am Abend des 21. August im Olympiastadion ihre Abschiedsvorstellung bei der Leichtathletik-WM gibt, wird sich Wehmut mit Freude über ein rekordträchtiges Jubiläum mischen. "Meine zehnte WM - das hat in Deutschland noch keiner geschafft. Das ist doch auch ein Titel und weltmeisterlich. Es wird sicher meine letzte WM werden, und ich will erfolgreich sein", sagt die dreimalige Weltmeisterin.

"Gesund wie nie zuvor"

Ein Verzicht auf die Heim-WM, so schwört Franka Dietzsch, hat trotz der derzeit noch fehlenden großen Weiten nie zur Debatte gestanden. Und die quälenden Gedanken an das bittere Olympia-Aus im Vorjahr verdrängt sie einfach. "Ich bin so gesund wie nie zuvor", versichert die unverwüstliche Neubrandenburgerin. "Ich reiße mir doch nicht bei Kälte und Hitze im Training und Wettkampf den Hintern auf, um dann nicht zum Saisonhöhepunkt nach Berlin zu fahren."

Ob Quali, Endkampf oder Medaille - eines steht fest: Mit 41 Jahren ist die Mecklenburgerin von der Insel Usedom immer noch so angriffslustig wie bei ihrem WM-Debüt 1991 in Tokio. "Letztes Jahr hat mein Körper gesagt: Wir nehmen mal 'ne Auszeit." Und in diesem Jahr, fünf Wochen vor der WM? "Wir haben immer noch die Hoffnung, dass mein Körper sagt: Jetzt kann ich endlich 150 oder sogar 180 Prozent geben. Und dass mein Diskus noch mal schön weit fliegt."

In dieser Saison ist die Ein-Kilo-Scheibe, mit der sie vor zwei Jahren in Osaka ihre dritte Goldmedaille nach 1999 (Sevilla) und 2005 (Helsinki) erkämpft hatte, noch nicht weiter als 62,50 Meter gesegelt. Derzeit Platz 17 in der Weltrangliste. Doch Zahlen und Statistiken haben Franka Dietzsch "noch nie" interessiert. "Ob es jetzt mein erster, siebter oder 32. WM-Start ist, egal. Für mich wäre der Endkampf in Berlin der größte Erfolg. Das ist mein Ziel", erklärt die routinierte Athletin, die bei Olympischen Spielen noch nie eine Medaille gewonnen hat.

Als Titelverteidigerin ist Dietzsch für Berlin gesetzt. Sogar Platz zwei mit enttäuschenden 59,09 Metern bei den deutschen Meisterschaften Anfang Juli in Ulm konnte sie locker wegstecken. "Da kam einfach kein Schwung auf. Das war wie eingeschlafene Füße", grantelte sie vor ihrem Start ins Trainingslager nach Kienbaum.

20 Jahre Leistungssport

Zehn bis zwölf Trainingseinheiten pro Woche mutet sich die "Grande Dame" im Diskusring nach 20 Jahren Hochleistungssport immer noch zu. Mit ihrem Trainer Dieter Kollark zieht sie in den sechs Wochen zwischen Ulm und Berlin einen "kompletten Aufbau" durch. Sportlehrer Kollark ist in der "UWV" (unmittelbare Wettkampf-Vorbereitung) nicht der einzige Motivator. Wenn es nicht so läuft, gönnt sie sich einen Hauch Nostalgie. "Meine Goldmedaillen hole ich nie raus, aber die Videos von der WM in Helsinki und Osaka schaue ich mir gerne mal an."

Dass die Konkurrenz in diesem Jahr schon weiter geworfen hat, lässt Franka Dietzsch kalt. Beim Training in Kienbaum will sie aufholen. "Du bist ja nicht weit weg, denke ich oft. Plötzlich stehst du wieder auf Rang drei in der Welt. Das geht schnell", meint sie. "Mit 63 Metern gewinnst du fast jedes Meeting in Europa." Und überhaupt: "Am Tag X geht die neue Zeitrechnung los." Wettkampf-Praxis will sich die Olympia-Vierte von 1996 noch in Zeulenroda (26. Juli) und bei der DLV-Gala am 2. August in Wattenscheid holen. Dort ist der Ring so groß wie der Berliner: Durchmesser 2,50 Meter. dpa

Kienbaum. Unmittelbar vor der Leichtathletik-WM wird das komplette deutsche WM-Team im Bundesleistungszentrum Kienbaum vom 10. bis 12. August ein Kurz-Trainingslager absolvieren. Darüber informierte Jürgen Mallow, der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Derzeit bereitet sich bereits ein Drittel des Teams, darunter Werfer, die Sprintstaffeln mit der Saarbrückerin Lisa Schorr, und die Mehrkämpfer, in dem Trainingszentrum am östlichen Stadtrand Berlins vor. Von Kienbaum aus werden die Aktiven dann vor ihren WM-Wettkämpfen ins Athleten-Hotel nach Berlin umziehen.

"Ich müsste eine Dankesrede an das Zentralkomitee der SED halten, dass sie dieses Trainingszentrum hier gebaut haben. Und ich danke allen, die sich nach der Wende dafür eingesetzt haben, dass dies alles erhalten geblieben ist", meinte Mallow zur Bedeutung Kienbaums für die deutsche Leichtathletik. "Ohne Kienbaum wüsste ich nicht, wo die Leichtathleten adäquat trainieren sollten", fügte der Sportdirektor hinzu. dpa

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