HG Saarlouis „Wir gehen ein wenig mehr ins Risiko“

Saarlouis · Der Vorsitzende des Handball-Zweitligsten HG Saarlouis sieht seinen Verein für die kommende Saison gut aufgestellt.

Erst am letzten Spieltag machte die HG Saarlouis den Verbleib in der 2. Handball-Bundesliga klar. Bevor es am 10. Juli wieder in die nächste Saisonvorbereitung geht (Auftaktspiel am 26. August in Nordhorn), spricht der HG-Vorsitzende Richard Jungmann über die Zukunftsfähigkeit des besten Handballclubs an der Saar und die Aussichten für die neue Runde.

Herr Jungmann, das hochemotionale Saisonfinale ist nun schon fast eine Woche her. Wie geht es Ihnen im Moment?

Richard Jungmann Ich bin mittlerweile wieder im Planungsmodus, aber kann nicht verhehlen, dass die letzten Tage von Genugtuung und Erleichterung geprägt waren.

Welches Fazit können Sie ziehen?

Jungmann Wir haben die Saison mit einem ausgesprochenen Handballfest abgeschlossen, bei dem sich alle in der Halle in den Armen lagen. Wir haben unser Ziel, den sportlichen Klassenverbleib, mit einer exakten Punktlandung erreicht. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass es etwas früher eintreten könnte. Aber die außergewöhnliche Konstellation, dass nahezu alle Teams der unteren Tabellenhälfte zum Saisonende sehr erfolgreich waren, haben wir so nicht erwartet. Dennoch haben wir uns behauptet.

Und das nach wieder einmal widrigen Startbedingungen. Der Klassenverbleib auf den letzten Drücker in der Vorsaison und der überraschende Abgang von Trainer Heine Jensen machten die Saisonplanung nicht gerade leicht.

Jungmann Den neuen Trainer Jörg Bohrmann haben wir gute vier Wochen vor Vorbereitungsbeginn verpflichtet, sodass keine Hektik entstand. Jörg spricht die Sprache der jungen Leute und passt zu einer jungen Mannschaft, wie wir sie haben. Er ist auch ein risikofreudiger Trainer, was uns häufig Punkte gebracht hat. Ich kann sagen, dass seine Verpflichtung der richtige Schritt war.

Wegen der finanziellen Möglichkeiten wird der HG-Kader seit Jahren personell knapp geplant. Verletzungspech kann man da nicht gebrauchen – in einer Liga mit 20 Teams und 38 Spielen wiegt es gar doppelt schwer. Mit Spielmacher Ibai Meoki (in zehn Spielen gefehlt) und Abwehrchef Philipp Kessler (Hälfte aller Spiele) gab es zwei Härtefälle.

Jungmann Wir haben darauf reagiert und den Kader mit 15 Feldspielern und drei Torhütern für die kommende Saison breiter aufgestellt. Das Durchschnittsalter beträgt rund 24 Jahre. Wir hätten den Kader auch vorher gerne breiter aufgestellt. Aber das wäre aus wirtschaftlicher Sicht abenteuerlich gewesen und hätte uns auf den Weg gebracht, auf dem andere Vereine ihre Lizenz eben nicht bekommen haben. Ab der Saison 2018/2019 wird die Liga übrigens von 20 auf 18 Mannschaften reduziert.

Wie kommt es, dass Sie dieses Jahr aufstocken können?

Jungmann Weil wir mit sehr jungen Spielern arbeiten, hat sich der Spieler-Etat nur um eine Summe vergrößert, die der Verein verkraften kann. Dank treuer Sponsoren sind wir weiterhin wirtschaftlich solide, gehen aber in der Tat ein wenig mehr ins Risiko, um den Bock mal umzustoßen und uns in Richtung Tabellenmitte zu bewegen. Das ist verbunden mit der Hoffnung, dass sich im Saarland endlich einmal etwas tut. Das hätte unsere Sportart mit dieser tollen Atmosphäre verdient.

Was fehlt der HG noch, um den Sprung in die obere Tabellenhälfte zu schaffen? Der Rückstand auf Platz acht beträgt gerade einmal sechs Punkte, und die DJK Rimpar, deren Voraussetzungen mit denen in Saarlouis vergleichbar sind, wurde Vierter.

Jungmann In Rimpar hatte man das große Glück, vom Verletzungspech verschont geblieben zu sein. Bei uns fielen mit Meoki und Kessler zwei Schlüsselfiguren einfach viel zu lange aus. Sonst hätte das Team den Sprung in die erste Tabellenhälfte mit Sicherheit schon in der zurückliegenden Saison geschafft. In der kommenden Saison haben wir eine Mannschaft, in der ausnahmslos alle Spieler richtig gut Handball spielen können – und zwar in der Abwehr und im Angriff. Deshalb darf man auf die Runde sehr gespannt sein. Es würde mich nicht überraschen, wenn die Mannschaft erfolgreicher wäre als im letzten Jahr.

Ibai Meoki wechselt zum ThSV Eisenach. Philipp Kessler beendet seine Karriere und wird Co-Trainer. Kapitän Jonas Faulenbach wechselt als bester Feldtorschütze der Liga zu Absteiger TuS Ferndorf. Und Perspektivspieler Lars Walz geht zu Oberligist HSG Völklingen. Wie viel Wehmut schwingt bei Ihnen mit?

Jungmann Bei keinem dieser Spieler soll ein Wehmutsleiden aufkommen. Es ist bei einer Profimannschaft normal, dass Spieler kommen und gehen. Alle vier haben uns aus völlig nachvollziehbaren Gründen und in aller Freundschaft verlassen. Die HG Saarlouis hat schon mehrere Spieler in die 1. Bundesliga entlassen und Spieler aus dem Jugend- oder Juniorenbereich zu gestandenen Spielern gemacht. Das wird auch in Zukunft so sein.

Die Neuzugänge stehen fest. Mit Julius Linskog Andersson kommt der Torschützenkönig der 1. Liga Norwegens, ein Hoffnungsträger für die Spielmacher-Position. Dazu die Rückraumspieler Arthur Muller und Falk Kolodziej sowie Linksaußen Pascal Noll und Perspektivspieler Max Hartz. Was dürfen die Fans erwarten?

Jungmann Wir waren im Probetraining von Julius angetan und haben ihn auch deshalb verpflichtet. Er ist ein technisch hochversierter Spieler mit viel Übersicht und Raffinesse. Ähnlich ist Falk Kolodziej einzuordnen, der ein gestandener Kämpfertyp ist. Das wiederum passt sehr gut zu unserer Mentalität. Auch Muller, ein Zwei-Meter-Mann, hat uns im Probetraining überzeugt. Er hat eine hohe Wurfkraft und ein gutes Auge für den Kreis. Wir denken, dass er Jonas Faulenbach ordentlich ersetzen kann. Pascal Noll ist ebenfalls ein Kämpfertyp und dazu sehr schnell. Max Hartz ist ein talentierter Spieler aus dem Saarland. Es wird sich zeigen, wie er in dieser Leistungsklasse zurecht kommt.

Was gehört neben Kampfgeist noch zur speziellen HG-Philosophie?

Jungmann Bei einem jungen und spielstarken Kader kommt es darauf an, dass die Trainer Frische und Schnelligkeit noch stärker ausbilden werden. Wir werden eine Mannschaft haben, die das Florett dem Säbel vorzieht.

Wie wichtig ist das familiäre Flair?

Jungmann Wir sind ein Proficlub, der seine Wurzeln nicht vergessen hat. Das Familiäre ist dem Saarland und der hohen Lebensqualität geschuldet. „Saarlouis vivre“ ist bei uns verinnerlicht, und wir sehen uns als einziger Club des populären Mannschaftssports, der das Saarland bundesweit vor einem breiten Publikum repräsentiert. Es ist auch eine Stärke des Vereins, in schwachen Phasen nicht in Panik zu geraten und bei Siegen nicht zu euphorisch zu werden.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Zuschauer-Interesses?

Jungmann Die Zuschauer identifizieren sich immer mehr mit der Mannschaft. Zehn Spieler kommen aus der Region, was mit Blick auf andere Vereine außergewöhnlich ist. Das hat mit dem Weg zu tun, den wir eingeschlagen haben, nämlich nicht die Nerven zu verlieren und alternde Stars zu verpflichten. Das ist sehr gut angekommen. Nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch bei den Sponsoren und unserer politischen Führungsspitze. Gerade im Vorfeld des letzten Saisonspiels habe ich bei mehreren Großveranstaltungen von allen Seiten eine geradezu mitfiebernde Solidarität erfahren. Das hat mich sehr berührt. Ich sehe das als Verpflichtung an, unser Projekt positiv weiterzuentwickeln.

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