Baseball Ganz Washington steht kopf

Washington · Der Topstar weg, der Saisonstart desaströs: Die Nationals stehen überraschend in der Finalserie der Baseball-Liga MLB.

 Daniel Hudson (links) und Yan Gomes springen sich in die Arme, und die Teamkollegen der Washington Nationals stürmen zum Jubeln hinzu.

Daniel Hudson (links) und Yan Gomes springen sich in die Arme, und die Teamkollegen der Washington Nationals stürmen zum Jubeln hinzu.

Foto: AP/Patrick Semansky

Bryce Harper wollte nicht mehr warten. Seit 2012 spielte er für die Washington Nationals, doch als sein Vertrag im Herbst 2018 auslief, lehnte er das Angebot des Clubs über angeblich 300 Millionen Dollar für weitere zehn Jahre ab. Die finanzstarken Philadelphia Phillies boten dem 26 Jahre alten Superstar 330 Millionen Dollar für 13 Jahre, vor allem aber die verlockende Aussicht, endlich um die Meisterschaft in der Major League Baseball (MLB) mitspielen zu können. Und dann kam alles anders.

Seit Dienstagnacht stehen sie in Washington kopf, und daran ist ausnahmsweise nicht Donald Trump schuld. Die Nationals, von Harper verschmäht, feierten nach einem bemerkenswerten 4:0 in der Best-of-Seven-Serie gegen die St. Louis Cardinals den Einzug in die World Series. Der Gegner ab Dienstag kommender Woche werden die Houston Astros oder die New York Yankees sein. „Wenn man sieht, woher wir kommen und was wir tun mussten, war das nicht leicht“, sagte Cheftrainer Dave Martinez und betonte zugleich: „Das Beste kommt noch.“

In der Tat hatte die Washington Nationals keiner auf der Rechnung. Nicht, nachdem Harper weggegangen war. Nicht, nachdem sie Ende Mai bei einer Bilanz von 19 Siegen und 31 Niederlagen standen – den Divisions-Rivalen Phillies mit Harper konnten sie nicht mal mehr mit dem Fernrohr erkennen. Die Rufe nach einer Entlassung von Martinez wurden lauter, Pitcher Anibal Sanchez berichtete: „Ich habe damals einen Artikel gelesen, in dem stand, dass wahrscheinlich das ganze Team weggeschickt wird.“ Und dann kam alles anders.

Die sogenannte reguläre Saison der MLB umfasst für jede Mannschaft 162 Spiele. Von den restlichen 112 gewannen die Nationals 74 – obwohl Martinez zwischenzeitlich mit Herzproblemen nicht zur Verfügung stand und ihr Bullpen, also ihre Einwechsel-Pitcher für spätere Innings, miserabel ist. Die Nationals schafften es in das Wildcard-Spiel der National League, besiegten dort die Milwaukee Brewers und räumten in der ersten Playoff-Runde sensationell mit 3:2 Siegen Titelfavorit Los Angeles Dodgers aus dem Weg.

Eine Mannschaft namens Washington Nationals hatte die World Series schon einmal erreicht – und sogar gewonnen, im Jahre 1924. Aus den damaligen Nationals wurden 1961 die Minnesota Twins. Die heutigen Nationals wiederum waren von 1969 bis 2004 die Montreal Expos, und wären sie vor 15 Jahren nicht in die US-Hauptstadt umgezogen, gäbe es sie nicht mehr – die anderen Clubbesitzer hatten schon für eine Auflösung der Expos gestimmt. Das Warten in Washington auf einen Einzug in die World Series aber ging weiter.

Spätestens seit der Debüt-Saison von Harper galten die klug aufgebauten Nationals als reif für die Meisterschaft. Doch die Erwartungen erfüllten sich nicht. Zwischen 2012 und 2017 erreichten die „Nats“ vier Mal die Playoffs – und schieden unter kuriosen oder dramatischen Umständen jeweils aus. Und jetzt das. Der Finaleinzug ist gesichert, die Titelträume leben. „Manchmal muss man auf die guten Dinge eben warten“, sagte der beliebte Routinier Ryan Zimmermann (35), der seit 2005 für den Club spielt. Oft, ergänzte Martinez, „führen die holprigsten Straßen zu den schönsten Orten“. Das soll, da gibt es keine zwei Meinungen, der MLB-Titel sein.

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