Turn-WM in Stuttgart Turnheld Tobas Talent heißt Fleiß

Stuttgart · Olympia-Star kämpft bei der WM in Stuttgart als einziger Deutscher im Mehrkampf-Finale.

 Mit viel harter Arbeit turnte sich Olympia-Held Andreas Toba, hier am Pauschenpferd, ins Rampenlicht. Dabei war er nie der Talentierteste.

Mit viel harter Arbeit turnte sich Olympia-Held Andreas Toba, hier am Pauschenpferd, ins Rampenlicht. Dabei war er nie der Talentierteste.

Foto: dpa/Marijan Murat

Die Heldenrolle von Andreas Toba bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro kennen Millionen von Sportinteressierten, von seiner extrem engen Bindung ans Kunstturnen wissen nur ganz wenige. Vielleicht war sie dem deutschen Mehrkampf-Meister selbst nicht bewusst, bevor er ein Jahr nach seinem Ritt über das Pauschenpferd mit gerissenem Kreuzband sein ganz persönliches Schlüsselerlebnis hatte.

„Nach der dritten Knieoperation war meine Welt grau, ich habe in Selbstmitleid gebadet. Aber dann bin ich nach drei Wochen Krankenhaus sofort in die Trainingshalle gefahren. Und als ich dort das Magnesia in der Luft atmen durfte, war meine Welt wieder bunt“, erinnert sich der Hannoveraner. Zwei Jahre später ist der 29-Jährige der Anführer in der deutschen Riege und steht bei der Heim-WM in Stuttgart an diesem Freitag (16 Uhr/ZDF Livestream) vor dem bislang wichtigsten Einzelwettkampf seines Lebens. Als einziger Deutscher steht er unter den 24 Turnern des Mehrkampf-Finales.

Aber deswegen Stress? Nein. „Ich habe gelernt, wie privilegiert ich bin, dass ich für Deutschland turnen darf“, sagt Toba, der sich ungeachtet seiner neuen Führungsrolle als Teamspieler versteht: „Die Aufregung vor dem Teamwettbewerb war viel, viel größer, denn da musste ich der Mannschaft Halt geben. Was jetzt kommt, ist die persönliche Belohnung dafür, dass ich gearbeitet habe wie ein Ochse.“

Die ausgeglichene Allzweckwaffe hat nicht das Jahrhunderttalent eines Fabian Hambüchen und auch nicht die Leichtigkeit eines Marcel Nguyen. Aber er hat ein mutiges Herz und einen unbändigen Willen.

Dabei waren Tobas Anfänge seiner Turn-Karriere holprig. „Ich war immer der Schlechteste in der Halle, das stimmt wirklich! Ich habe als kleiner Junge geweint, weil ich keinen Spagat machen wollte“, erzählt der 29-Jährige. Als er realisierte, dass aus ihm doch noch etwas werden könne, wenn er fleißiger als alle anderen trainiert, war Toba fortan immer der Erste beim Training und der Letzte, der geht. Bezeichnend war ein Plakat, das mahnend im Frankfurter Turnzentrum hing. „Talent hat, wer das Training durchhält“, stand darauf.

Die Bilder von seinem für den Durchschnittszuschauer unfassbaren Olympia-Auftritt fehlten 2016 in kaum einem TV-Rückblick und machten den bis dahin eher introvertierten Athleten über Nacht zu einer öffentlichen Person. Publikums-Bambi, Auszeichnung als Sportler mit Herz, von Richthofen-Solidaritätspreis – jeder Winkel des bescheidenen Athleten wurde plötzlich ausgeleuchtet. Es war total ungewohnt und fühlte sich fremd an. Verdrängen möchte er den 6. August 2016 und dessen Nachwirkungen dennoch nicht: „Dieses Datum gehört jetzt zu mir wie mein Geburtstag und später auch mein Hochzeitstag.“

Auf jeden Fall haben den Sohn des deutsch-rumänischen Topturners Marius Toba der Schicksalstag von Rio und dessen glamouröse Folgen extrovertierter gemacht. In der Hanns-Martin-Schleyer-Halle übernahm er beim am Ende erfolgreichen Kampf um die Olympiatickets für Tokio 2020 erstmals den Part des Einpeitschers.

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