Neuer Dopingskandal Russlands Sport droht ein Beben

Köln · Austragung der Fußball-EM 2020 nach neuesten Dopingvorwürfen nicht betroffen.

  Rusada-Chef Juri Ganus steht vor schweren Zeiten. Seiner Institution droht der Entzug der Zulassung – und dem russischen Sport ein Vierjahresbann.

Rusada-Chef Juri Ganus steht vor schweren Zeiten. Seiner Institution droht der Entzug der Zulassung – und dem russischen Sport ein Vierjahresbann.

Foto: AP/Pavel Golovkin

Die Vorwürfe wiegen schwer, die Sanktionen werden immer konkreter. Dem Weltsport droht nach den nächsten russischen Betrügereien ein Beben mit seismischen Wellen, die sich über die Olympischen Spiele in Tokio ausbreiten könnten und auch das Potenzial haben, „König Fußball“ zu erschüttern – zumindest die EM 2020 aber ist ausgenommen.

„Die EURO 2020 ist nicht betroffen, da es ein kontinentales Einzelsportereignis ist“, teilte die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada am Dienstag auf Nachfrage mit. Sollte die Wada am 9. Dezember in Paris die Sanktionen gegen Russland beschließen, die sein zuständiges Ermittlungskomitee am Montag empfohlen hat, verliert nicht nur die russische Anti-Doping-Agentur Rusada ihre Zulassung. Die gesamte Nation würde ein Bann treffen, ein Ausschluss von vier Jahren steht im Raum. Damit wären die Olympia-Teilnahme und die Ausrichtung internationaler Top-Events bedroht.

Der Fußball-Weltverband Fifa will die Überlegungen der Wada-Exekutive abwarten, bis er „eine mögliche wichtige Entscheidung trifft“, die zunächst die Qualifikation zur WM 2022 in Katar betrifft. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) kündigte am Dienstag an, auch die härtesten Sanktionen gegen die Verantwortlichen möglicher Manipulationen zu unterstützen. Den Russen wird vorgeworfen, Daten aus dem Moskauer Kontrolllabor gefälscht zu haben.

Sollte die Nation gesperrt werden, wird der Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS und damit eine Hängepartie wie 2016 erwartet, als Russland durch den McLaren-Report institutionelles Doping nachgewiesen worden war.

„Die Zeit bis zu den sportlichen Großereignissen 2020 ist sehr kurz. Ich befürchte, dass es ein knappes Hickhack geben wird – und das ist für den Sport ganz schlecht“, sagte Sportrechtsexperte Michael Lehner. Noch nach der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2016 herrschte Verwirrung über die tatsächliche Größe des russischen Teams, ein denkbar ungünstiges Szenario, das sich wiederholen könnte. Denn: „Die Rechtslage ist so wie damals“, sagt Lehner.

Bereits an der verfrühten Wiederaufnahme der Rusada im vergangenen Jahr hatte es Kritik gegeben, nun zeigt sich, dass der geforderte Mentalitätswandel im russischen Sport nicht stattgefunden hat. Es ist selbst für Rusada-Chef Juri Ganus „eine neue Phase von Russlands Dopingkrise“. Er hofft auf Wladimir Putin, der dabei helfen soll, die sportliche Führung im Riesenreich neu aufzustellen.

Welchen sportpolitischen Einfluss der Staatspräsident besitzt, hat er immer wieder bewiesen und dazu genutzt, Russland nach außen als die Sport-Großmacht erscheinen zu lassen, als die sich das Land gerne selbst sieht. Die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, der Höhepunkt des russischen Dopingskandals, und die Fußball-WM 2018 waren auch Putins Projekte.

Schon damals war die Rusada suspendiert, Auswirkungen auf die WM hatte dies kaum. Nur Organisationschef Witali Mutko verlor alle seine Ämter im Sport – und das bunte Spektakel ging reibungslos über die Bühne.

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