Tennis Die Sport-Welt verneigt sich vor der „Gräfin“

Las Vegas · Tennis-Legende Steffi Graf feiert an diesem Freitag ihren 50. Geburtstag. Öffentlich spricht sie nicht darüber. Dafür huldigen ihr andere.

 Eine Sportlerin wie sie wird es in Deutschland wohl nicht mehr geben: Tennis-Ikone Steffi Graf war und ist einzigartig.

Eine Sportlerin wie sie wird es in Deutschland wohl nicht mehr geben: Tennis-Ikone Steffi Graf war und ist einzigartig.

Foto: dpa/Patrick Kovarik

Der 13. August 1999 war ein strahlend schöner Sommertag, doch in einem schmucklosen Konferenzraum des Heidelberger Marriott-Hotels zogen dunkle Wolken auf. Mit belegter Stimme und Tränen in den Augen verkündete Deutschlands größte Sportlerin der Geschichte ihren Rücktritt. „Tennis hat mein ganzes Leben bestimmt, es ist schwer loszulassen“, flüsterte Steffi Graf sichtlich bewegt. Sie hat losgelassen – und sie hat alles richtig gemacht. An diesem Freitag feiert die „Gräfin“ ihren 50. Geburtstag.

Auf dem Court Central im Stade Roland Garros begann am 6. Juni 1987 die Ära Graf. Im Finale der French Open gewann sie wenige Tage vor ihrem 18. Geburtstag gegen die große Martina Navratilova den ersten ihrer 22 Grand-Slam-Titel im Einzel. Zwölf Jahre später holte sie an gleicher Stelle auch den letzten – in einem denkwürdigen Finale gegen Martina Hingis, die nach dem Matchball in Tränen aufgelöst die Anlage verließ.

 Deutschland im siebten Tennis-Himmel: 1989 präsentieren Steffi Graf und Boris Becker freudestrahlend ihre Wimbledon-Trophäen.

Deutschland im siebten Tennis-Himmel: 1989 präsentieren Steffi Graf und Boris Becker freudestrahlend ihre Wimbledon-Trophäen.

Foto: dpa/PA

„So eine Spielerin wie Steffi werden wir wahrscheinlich nie wieder haben“, sagt der langjährige Weggefährte Boris Becker, „einfach einmalig“ sei sie gewesen. Becker würde sich freuen, die „Gräfin“ öfter mal zu treffen, aber: „Sie lebt ihr eigenes Leben.“ Gabriela Sabatini, Grafs Gegnerin in vielen epischen Matches, glaubt, sie selbst sei durch die jahrelange Rivalität eine bessere Spielerin geworden: „Wenn man gegen Steffi gespielt hat, war man gezwungen, sein eigenes Spiel auf ein höheres Level zu heben.“

Zwischen Juni 1987 und Juni 1999 setzte Stefanie Maria Graf ganz neue Maßstäbe. Die Statistiken der Damen-Organisation WTA listen 902 Siege und 115 Niederlagen im Einzel und ein Karriere-Preisgeld von 21,9 Millionen Dollar auf. Sie gewann im Einzel 107 Titel, sie führte die Weltrangliste 377 Wochen insgesamt und 186 Wochen nacheinander an. Acht Mal war sie am Jahresende die Nummer eins der Welt, was vor und nach ihr keine andere schaffte.

 Öffentliche Auftritte von Steffi Graf und ihrem Ehemann Andre Agassi, wie hier 2017 bei einer Gala, sind selten.

Öffentliche Auftritte von Steffi Graf und ihrem Ehemann Andre Agassi, wie hier 2017 bei einer Gala, sind selten.

Foto: dpa/Darryl Dyck

„Steffi hat eine ganze Dekade im Tennis geprägt“, sagte Grafs langjähriger Trainer Heinz Günthardt: „Ich denke auch, dass sie den Sport für Frauen grundsätzlich – nicht nur im Tennis – weitergebracht hat. Durch ihre Athletik und ihre harte Arbeit.“ Zudem bescheinigte er seiner ehemaligen Chefin einen „unglaublichen Dickschädel. Und das meine ich im Positiven.“

1988 gewann Graf als dritte Frau nach Maureen Connolly und Margaret Smith Court den Grand Slam, den sie mit dem Olympiasieg in Seoul vergoldete. Als erste Spielerin der Geschichte siegte sie bei jedem der vier Grand-Slam-Turniere mindestens vier Mal (vier Mal Australien, sechs Mal Paris, sieben Mal Wimbledon, fünf Mal US Open), elf Jahre in Folge gewann sie jeweils mindestens sieben Titel.

 Nach ihrem Wimbledon-Sieg 1995 kommt Steffi Graf in Begleitung ihrer Eltern Heidi und Peter Graf zur Siegesfeier.

Nach ihrem Wimbledon-Sieg 1995 kommt Steffi Graf in Begleitung ihrer Eltern Heidi und Peter Graf zur Siegesfeier.

Foto: dpa/Frank Leonhardt

Die erfolgsorientierte Sportlerin stand im krassen Gegensatz zu dem Menschen hinter der Fassade. Selbstbewusst war Graf nur auf dem Platz, in jener von vier weißen Linien begrenzten Welt. Sobald sie ihr rechteckiges Reich verlassen hatte, wurde sie zu einer introvertierten, scheuen jungen Frau, die Kameras und Mikrofone hasste und ihr Gesicht gerne hinter ihrer blonden Mähne versteckte. Nicht zuletzt deshalb war die Affäre um ihren Vater Peter, der wegen Steuerhinterziehung einige Jahre im Gefängnis verbrachte, der schlimmste Spießrutenlauf ihres Lebens.

Den Übergang ins Privatleben vollzog Graf nahtlos, das verlorene Wimbledon-Finale 1999 gegen Lindsay Davenport war ihr letztes großes Match. Im Anschluss daran startete sie noch in San Diego, gab aber im Achtelfinale gegen Amy Frazier Mitte des dritten Satzes wegen einer Oberschenkelzerrung auf – ein unspektakuläres Ende einer Jahrhundert-Karriere.

Das Leben danach hat Graf perfekt in den Griff bekommen. Am 22. Oktober 2001 heiratete sie den Berufskollegen Andre Agassi, die gemeinsamen Kinder Jaden Gil (17) und Jaz Elle (15) hielt sie – fernab ihrer deutschen Heimat in Las Vegas lebend – stets sorgfältig von der Öffentlichkeit fern. Das Rampenlicht, in dem Steffi Graf ihre Jugend verbrachte, hat sie am 13. August 1999 konsequent ausgeschaltet.

Wie sie ihren runden Geburtstag feiert, wie sie lebt und wie ihr Alltag heute aussieht, darüber spricht sie nicht öffentlich. Das tun dafür andere – von Becker bis Otto Waalkes. Die „Bild“-Zeitung würdigt „Deutschlands Größte“ mit einer täglichen Serie, die mit einem Brief von Wimbledonsiegerin Angelique Kerber in der „Bild am Sonntag“ eröffnet wurde. Das „Tennis Magazin“ druckte unter der Überschrift „Echte Schätze“ auf acht Seiten bislang unveröffentlichte Fotos aus Grafs Leben ab. „Ja, sie ist einfach unvergleichbar“, meint ihr ehemaliger Trainer Klaus Hofsäss.

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