French Open in Paris Ein Unterschätzter erlebt sein Karriere-Hoch

Paris · Jung-Papa Jan-Lennard Struff spielt seit Monaten sein bestes Tennis. Bei den French Open steht er jetzt in der dritten Runde.

) Seinen Sohn sieht er gerade nur per Videos auf seinem Handy. Am Mittwoch wurde der kleine Henri acht Wochen alt, sein Papa kämpfte einen Tag später bei den French Open gegen Radu Albot aus Moldau um den Einzug in die dritte Runde. Im Leben von Jan-Lennard Struff ist ein „sehr großer Glücksmoment dazugekommen“, wie es der Sauerländer formulierte. Doch nicht nur das Private bereitet Struff derzeit Erfüllung und Freude. Auch in seinem Beruf als Tennisspieler erlebt der 29-Jährige im Moment die beste Zeit seiner Karriere.

Struff gilt nicht gerade als Plaudertasche wie seine deutsche Kollegin Andrea Petkovic, die kurz zuvor in einer halbstündigen Tour d‘Horizon über schwangere Spielerinnen, die Philosophie des Spiels auf Sand, Steffi Graf, ihr bevorstehendes Buchprojekt und Tennis-Mode parlierte. Das zeigte sich diese Woche bei seiner Pressekonferenz vor seinem 7:6 (7:2), 7:6 (7:3), 6:7 (4:7), 6:2-Erfolg in der zweiten Runde gegen den Moldawier Radu Albot. 3:14 Stunden dauerte das packende Spiel.

Struff stützte erst einmal sein Kinn auf die rechte Hand, die graumelierte Mütze saß verkehrt herum auf dem Kopf, der neuerdings von einem Vollbart geziert wird. Er bedankte sich höflich für die Glückwünsche für seinen Erstrunden-Erfolg gegen den kanadischen Aufsteiger Denis Shapovalov und sagte zunächst Tennisspieler-Pressekonferenz-Sätze wie: „Das war ein sehr guter Dreisatz-Sieg, das war nicht zu erwarten, deshalb bin ich sehr glück­lich darüber.“ Er habe mit seinem Team und Trainer Carsten Arriens, dem ehemaligen Davis-Cup-Chef, sehr gut gearbeitet.

Struff spielt seit zehn Jahren auf der Tour, seit November 2016 hält er sich unter den Top 70, aktuell weist ihn die Branchenwertung als Nummer 45 der Welt aus. Struff zählt zu den gerne Übersehenen und gerne Unterschätzten. Die Schlagzeilen gehören Shootingstar Alexander Zverev oder dem Dauerbrenner Philipp Kohlschreiber. Neben Zve­rev steht Struff als einziger von zehn deutschen Männern in der dritten Runde – erstmals in Roland Garros.

Der 1,96 Meter große Jung-Vater Struff hat das deutsche Tennis schon mehr als einmal vor sportlichem Ungemach bewahrt hat. Im Davis Cup bildet er mit Tim Pütz das „Tim und Struffi“ genannte Doppel, das noch kein Spiel verloren hat. Als Einzelspieler sicherte Struff 2016 gegen Polen und 2017 in Portugal den Verbleib in der Weltgruppe. „Er ist loyal, die Frage ist nicht, ob er spielt, sondern nur, wann wir uns treffen und welche Schläger er mitnimmt“, sagte Bundestrainer Michael Kohlmann einmal.

Im lauten und manchmal übertrieben aufgeregten Tenniszirkus hilft Struff seine Unaufgeregtheit. Seit Monaten spielt er in exzellenter Verfassung. Er hat Spieler wie Alexander Zverev, Stefanos Tsitsipas und den Ex-US-Open-Sieger Marin Cilic geschlagen. Im Viertelfinale von Barcelona scheiterte er knapp am Sandplatz-Regenten Rafael Nadal.

„Jetzt habe ich halt ein paar gute Leute nacheinander schlagen können, das stärkt das Selbstvertrauen und den Glauben in das eigene Spiel“, sagte Struff gewohnt lakonisch – und verfiel dann plötzlich regelrecht ins Plaudern. Er berichtete von dem „sehr belastenden“ Gerichtsprozess mit seiner Ex-Trainerin Ute Strakerjahn, vor allem aber gewährte er einen noch nie erlebten Einblick in sein Innenleben.

„Das Leben ändert sich komplett“, erzählte Struff. Er sei froh, dass seine Freundin zu Hause viel abfange und ihm den Rücken stärke. Zu den Heimturnieren in Stuttgart und Halle will er seine Familie mitnehmen. Bei anderen Vätern auf der Tour holt er sich Ratschläge.

Struff wirkte tiefenentspannt, gelassen und fokussiert zugleich. Denn trotz allen Familienglücks will er noch nicht so bald nach Hause, im Achtelfinale könnte der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic warten. Erst mal aber geht es in der dritten Runde an diesem Samstag gegen den an Nummer 13 gesetzten Kroaten Borna Coric, als Nummer 15 der Weltrangliste klarer Favorit. Aber mit der nötigen Entspanntheit könnte Struff vielleicht auch ihn schlagen.

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